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Weben am Gewichtswebstuhl:
Fächer öffnen, Schussfaden eintragen, Fehler vermeiden
Überblick: Was dieser Artikel behandelt
Dieser Beitrag ist die Anleitung zum Weben am Gewichtswebstuhl. Wie man einen Webstuhl selber baut ↗ und wie man den Anfang macht ↗, darüber gibt es separate Beiträge.
So steht der Webstuhl vor uns
Der Webstuhl ist auf ein bestimmtes Grundmuster (Gewebebindung) eingerichtet. Ganz oben hängt ein dickes Rundholz (Tuchbaum), von dem viele Fäden (Kettfäden) herabhängen. Vielleicht ist bereits fertiger Stoff um den Tuchbaum aufgewickelt worden. Auf einer bequemen Arbeitshöhe liegen ein oder mehrere Litzenstäbe: Das sind die dünnen Rundhölzer, die links und rechts auf Gabeln liegen, und die hunderte Fadenschlaufen tragen, die mit den senkrechten Fäden verbunden sind. Die Schlaufen nennt man Litzen. Darunter ist noch ein waagerechtes Brett (Trennstab) an den Pfosten befestigt, vor dem und hinter dem einige Kettfäden herabhängen. Dadurch wird ein Zwischenraum zwischen den vorderen und hinteren Kettfäden erzeugt, durch den man hindurchgreifen kann. Dieser Zwischenraum nennt sich Fach.
Die Fächer
Das Fach, welches durch das fest installierte Brett erzeugt wird, nennt man das natürliche Fach. Alle weiteren Fächer muss man demnach künstlich erzeugen. Öffne ein neues Fach, indem Du einen Litzenstab zuerst an der linken Seite in die Hand nimmst und zu Dir ziehst -und mit der anderen Hand den Gegendruck auf den Pfosten hältst: Wenn der Webstuhl nämlich nur an der Wand lehnt, könntest Du ihn leicht umwerfen, wenn du am Litzenstab nur nach vorne ziehst. Der Litzenstab soll nun in der Gabel vorn einrasten. Das gleiche machst Du auf der rechten Seite, wieder vorsichtig mit beiden Händen. Bestimmte Kettfäden werden nun durch die angebrachten Litzen nach vorne gezogen. Und dadurch hat sich ein neuer Zwischenraum, ein neues Fach gebildet.
Die Bindungsart
Mache Dich mit den Bindungsarten vertraut. Hier soll es ausreichen,
dass Du Leinwandbindung und verschiedene Köperbindungen unterscheiden
kannst. Wenn Du nur einen einzigen Litzenstab am Webstuhl hast,
dann wird Leinwandbindung hergestellt. Das heißt, je ein Faden liegt
abwechselnd vorne oder hinten. Der Litzenstab erzeugt genau das
Gegenteil von der Anordnung, die der Trennstab herstellt: Alle hinteren
Fäden zieht er nach vorne. Für das Weben heißt das, das man einfach
abwechselt: ein Fach öffnen und Schussfaden durchreichen, dann den
Litzenstab zurücklegen, es gibt nur das natürliche Fach, und wieder
den Schussfaden durchreichen.
Wenn Du aber drei Litzenstäbe benutzt, dann erzeugt die Reihenfolge in
der sie benutzt werden, ein bestimmtes Bindungsmuster. Eine gleichmäßige
Abfolge der richtigen Fächer erzeugt ein Köpergewebe mit gleichmäßigem
Grat. Durch einen Vorwärts- und Rückwärtsgang entlang der gewählten
Abfolge entsteht ein Zickzackköper oder, mit einer leichten Versetzung,
Fischgratköper. Das hört sich wahnsinnig kompliziert an, aber eigentlich
brauchst Du nur stur und hochkonzentriert die richtige Reihenfolge der
Fächer einhalten. Schreibe die Reihenfolge auf einen Zettel und erlaube
Dir nur dann Pausen, wenn ein Zyklus abgeschlossen ist.
Das Eintragen des Schussfadens
Der Schussfaden wird als Wollknäuel oder als Docke mit der Hand durch
das geöffnete Fach gereicht. Wenn die Kettfäden dabei etwas
aneinanderkleben, hilft es manchmal, etwas zu rütteln, oder sich den
richtigen Weg mit den Fingern zu bahnen. Wenn die Breite größer ist,
als man mit einem Arm hindurchlangen kann, schiebt man die andere Hand
an irgendeiner passenden Stelle durch die vorderen Fadenreihen, um das
Schussfadenknäuel weiterzureichen. Der Gewichtsweber benutzt keine
Weberschiffchen! Diese Erfindung kam erst mit dem späteren
Trittwebstuhl auf. Es ist ganz wichtig, dass der Schussfaden nicht auf
dem direkten Weg von einer Kante zur anderen verläuft, sondern wir
müssen ihn bogenförmig durchhängen lassen: Diese Mehrweite ist
notwendig, um das Auf und Ab über die vielen Kettfäden des Gewebes zu
ermöglichen. Wenn man diesen Trick nicht kennt, wird das Gewebe immer
schmaler und schmaler.
Sobald Du den Schussfaden durch das ganze Fach hindurchgereicht hast,
legst Du Knäuel oder Docke ab, um die Hände frei zu bekommen. Meistens
hat man einen kleinen Korb oder Beutel an die Abstandhalter gehängt,
wo man den Schussfaden kurz ablegen kann. Jetzt wird das Fach gewechselt.
Nach dem Fachwechsel: dicht anschlagen
Den letzten Eintrag hattest Du locker durchhängen lassen. Durch die neuen Verkreuzungen der Kettfäden wegen des Fachwechsels werden die Bögen schon etwas nach oben gedrängt. Da musst Du etwas nachhelfen, und mit den Händen Stück für Stück die Verkreuzungen hochschieben, bis der letzte Schussfadeneintrag sich bündig in das fertig Gewebte einfügt. Wenn Du die leichten Bögen beim Einlegen etwas übertrieben hast, wirst Du es jetzt merken: die überschüssige Fadenlänge will sich nicht einfügen. Das ist kein Problem, denn Du kannst das eben geöffnete Fach noch einmal zurückbewegen, um zu dem Zustand zu kommen den du davor hattest. Jetzt lege den Schussfaden ein kleines bisschen strammer ein, und merke Dir den optimalen Durchhägegrad des Bogens. In der nächsten Runde wirst Du das Augenmaß haben. Ein Webschwert wird beim Weben am Gewichtswebstuhl nicht benötigt. Es erhält seine Notwendigkeit erst mit der Einführung des Trittwebstuhls. Trotzdem gibt es Abbildungen von Webschwertern am Gewichtswebstuhl auf antiken Vasen und mittelalterlichen Malereien. Warum? Das Webschwert ist eine spezialisierte Ergänzung für Bildwirkereien, die man ebenfalls am Gewichtswebstuhl machen kann.
Tuchbaum drehen
Nach etlichen Zyklen des Hin- und Herwebens wächst das Gewebe nach
unten hin an, und der Platz wird enger, um neue Fächer zu öffnen. Dann
ist es Zeit, den Tuchbaum weiterzudrehen. Durch einen Stopper oben am
rechten oder linken Pfosten wird er festgehalten. Sobald Du den
Holzpflock entfernst, musst Du das gesamte Gewicht sämtlicher
Webgewichte mit der Hand festhalten. Je nach den verwendeten Gewichten
kann das die Hilfe einer zweiten Person erforderlich machen. Zusammen
dreht ihr den Tuchbaum nach vorne. Das fertige Gewebe liegt hinter dem
Tuchbaum an der Wandseite an.
Natürlich könnte man das Gewebe auch
andersherum aufwickeln, aber das hat wenig Sinn: Der Gewichtswebstuhl
wurde extra schräg an die Wand gelehnt, weil die Schräge das Öffnen der
Fächer ermöglicht. Würde man jetzt das fertige Gewebe nach vorne hin
aufwickeln, kämen die Kettfäden mehr in eine senkrechte Position.
Das
durchgebohrte Loch im Tuchbaum erlaubt es, den Pflock für den Stopper
nach jeder halben Drehung wieder zu befestigen. Meistens kannst Du
mehrere halbe Drehungen weit wickeln, bis die Position wieder optimal
ist.
Mit dem Drehen werden auch alle Webgewichte angehoben. Es muss nicht bei
jedem Eindrehen des Tuchbaums passieren, aber irgendwann wird es nötig,
die Webgewichte alle abzuhängen, den Zopf der Kettfäden ein Stück weiter
aufzuflechten, und die Webgewichte in tieferer Position wieder neu
anzubinden.
- Marta Hoffmann, The Warp-Weighted Loom. Studia Norwegica 14, Oslo 1964.