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Der Gewichtswebstuhl in Betrieb: Einrichten und Starten

Geschichte

attisches Vasenbild: Gewichtswebstuhl

Foto: The Met - Lizenz: open access

Der Gewichtswebstuhl ist eines der ältesten Webgeräte der Menschheitsgeschichte und wurde von der Jungsteinzeit bis in die Moderne in einigen Regionen genutzt. Sein einfacher Aufbau täuscht darüber hinweg, wie vielseitig und effektiv er ist.
Erst zwischen dem 10. und 13. Jh. wird er weitgehend vom Trittwebstuhl verdrängt. Dieser erlaubt ein rationelleres Arbeiten, braucht aber auch viel Platz. Wohl deshalb konnte sich die archaische Konstruktion des Gewichtswebstuhls in ländlichen Gebieten lange erhalten, in Lappland bis ins 20. Jahrhundert.

So funktioniert ein Gewichtswebstuhl

Ein Gewichtswebstuhl besteht aus zwei festen Holzstützen, die oben astgabelförmig ausgearbeitet sind. Hier wird ein waagerechter Balken eingelegt, der sogenannte Tuchbaum (um den Tuchbaum wird das fertige Gewebe aufgewickelt).
Dieser Rahmen lehnt schräg an einer Wand, und hunderte von Kettfäden hängen vom Tuchbaum herab. Die Kettfäden werden durch Gewichte gespannt, und laufen jeweils abwechselnd über oder unter einem Trennstab hindurch. Der Zwischenraum nennt sich Fach.
Um das Fach zu wechseln, müssen die jeweils hinten liegenden Fäden nach vorne gezogen werden. Jeder hintere Faden ist zu diesem Zweck einzeln an eine Fadenschlaufe (Litze) gebunden, alle Litzen werden durch den Litzenstab nach vorn gezogen.
Nach jedem Fachwechsel wird der Schussfaden vom Knäuel oder von der Spindel mit der Hand durch das Fach geführt. Die Breite eines Gewichtswebstuhls lag in der Regel zwischen 50 cm und 2 m, wobei kleinere Webstühle für den häuslichen Gebrauch und größere für spezielle Textilien oder Gemeinschaftsarbeiten verwendet wurden.

Anfangskante

Vor dem Anbinden der gesamten Kettfäden an den Webstuhl (Aufbäumen) ist eine Vorbereitung nötig: Die zahlreichen Kettfäden sollen in einer geordneten Form und in gleichmäßiger Länge herabhängen. Dies wird durch das Schären der Kette erreicht. Eine einfache Möglichkeit ist es, dafür eine Holzkonstruktion mit drei Stäben zu nutzen: Zwischen zwei Stäben werden zunächst die Kettfäden für ein einfaches Kammgewebe oder Brettchengewebe aufgezogen. Je nach der Dimension des geplanten Gewebes können schon zwei oder vier Webbrettchen ausreichen, um eine minimale Anfangskante herzustellen. Bei Projekten, in denen das Eigengewicht der Kettfäden die Anfangskante verzerren kann, braucht es entsprechend mehr Breite und damit Stabilität. Und nicht zuletzt kann durch die bandgewebte Anfangskante eine Zierwirkung erzielt werden, mit schönen Musterungen oder Farben.
Üblicherweise werden Brettchengewebe hergestellt, indem ein Schussfaden nach jeder Drehung der Brettchen eingelegt wird, immer hin und her. Das ist hier anders. Der Fadenvorrat für den Schuss bleibt fest auf der einen Seite des Bandgewebes, z.B. in einem Korb. Und eine Schlaufe (also zwei Fäden) wird pro Drehung durch das Brettchenfach geführt. Die Schlaufe wird so weit gezogen, dass sie bis zum dritten Holm des Dreibeins reicht, und um diesen Fäden stets eine ausreichende Länge mitzugeben, gleich mehrfach um den einen oder anderen Stab gewendet. Die Schlaufe wird zuletzt über einen der Stäbe gehängt, und somit fixiert.
Nach einem solchen Durchgang werden die Brettchen eine Vierteldrehung weiter gedreht, und die Spannung der ausgezogenen Fadenschlaufe gleichmäßig eingestellt. (Bei einer kammgewebten Anfangskante verfährt man entsprechend genauso). Die Stellung der Brettchen ist nun bereit für die nächste Schlaufe aus dem Garnkorb, und so verfährt man stets weiter. (Nach etlichen Durchgängen stabilisiert sich das entstandene Bandgewebe, und man kann auf eine gleichmäßige Anzahl von Schlaufen pro Zentimeter achten. Lediglich ganz am Anfang gibt noch nichts dem Bandgewebe Halt: Da muss man sich damit behelfen, zunächst drei, vier Vierteldrehungen der Brettchen ganz konventionell zu weben, also mit einem Schussfaden der hin und her wendet. Das ist ein separater Faden, den wir später wieder entfernen werden.)
Wenn man nun mit dem Weben der Anfangskante einige Zentimeter vorangekommen ist, ändert sich der Winkel, in dem die Fadenschlaufen um die Holme laufen. Das ist nicht gut, denn dadurch verändert sich auch ihre Gesamtlänge. Man muss also, um eine gleichmäßige Länge dieser Schlaufen zu erreichen, das entstehende Bandgewebe stets wieder an die ursprüngliche Position rücken. Das geht eine ganze Weile lang gut, doch irgendwann haben sich die Kettfäden des Bandgewebes so weit verkürzt, dass sie stark unter Spannung stehen. Die Holme des Dreibeins sind flexibel genug, um eine gewisse Spannung abzufangen, doch irgendwann reicht das nicht mehr. Da hilft es nichts, man muss den Knoten lösen und die Kettfäden für das Bandgewebe noch einmal neu anbinden.
Endlich ist das Brettchenband so lang geworden, wie der Tuchbaum des Gewichtswebstuhls breit ist. Jetzt kann man sich das ganze Werk um 90° gedreht vorstellen: die Schlaufen, die wir eben noch als Schussfäden bezeichnet haben, sollen nun senkrecht herabhängen, und die Kettfäden des Tuchgewebes bilden.
Man nimmt die Schlaufen jetzt Stück für Stück vom Dreibein-Gestell ab: Jeweils eine gewisse Anzahl von Schlaufen, so viele wie an ein Gewicht gebunden werden. Das kann man sich vorher gut ausrechnen. Die Bündel sollen immer die gleiche Fadenzahl haben, damit die Webgewichte eine durchweg gleiche Spannung erzielen können. Die Enden der Schlaufe zerschneidet man mit der Schere, und hält nun praktischerweise zwei Bündel in der Hand: die vorderen und die hinteren Kettfäden. Wenn man eine Gewebebindung geplant hat, die sich durch zwei teilen lässt, also Tuchbindung oder vierschäftiger Köper, sollte man sich diese natürliche Vorsortierung der Fäden nicht entgehen lassen, und die beiden Hälften gleich getrennt abbinden.

Video: F. Peise - Lizenz: CC-BY

Die meterlangen, abgeschnittenen Fäden würden sich beim weiteren Hantieren verheddern, wenn man sie nicht sofort beim Abnehmen vom Dreibein-Gestell unter Kontrolle bringt: Mit dem ganzen Bündel von eben durchgeschnittenen Fadenenden in der Hand werden große Luftmaschen erzeugt. Vier, fünf Schläge je nach Fadenlänge, und die einzelnen Bündel sind handlich verschnürt.
So nimmt man den gesamten Kettvorrat für das Gewebe ab, und sichert Stück für Stück die einzelnen Bündel. Der Fadenüberschuss vom Kammgewebe oder Brettchengewebe wird durchtrennt und gekürzt. Der gesamte Kettvorrat ist nun transportabel, und kann so aufbewahrt oder direkt am Tuchbaum befestigt werden

Befestigung der Anfangskante am Tuchbaum

An das Bandgewebe wird eine Holzleiste mit gleichmäßigen Stichen genäht. Dazu dient ein robuster Faden, der nach der Fertigstellung des Gewebes wieder entfernt wird. Mit einer stabilen Sattlernadel oder Sacknadel lässt sich das Anfangsband durchstechen, überwendlich um den Holzstab nähen, und so eine gleichmäßige und feste Verbindung schaffen.
Wenn der Kettfadenvorrat erst einmal an der Leiste befestigt ist, kann die Leiste ihrerseits an den Tuchbaum gebunden werden.

Webgewichte anbinden

Die zu Luftmaschen-Zöpfen verkürzten Bündel von Kettfäden hängen nun vom Tuchbaum herab. Man löst die Vermaschung zumindest so weit, dass die Fäden frei bis kurz vor den Boden reichen. Dort wird das Webgewicht angeknüpft, welches für den jeweiligen Strang vorgesehen wurde. Ein Trennstab auf mittlerer Höhe des Gewichstwebstuhls bildet die Unterscheidung zwischen den vorderen und den hinteren Fadengruppen. Somit ist sichergestellt, dass die einzelnen Fäden, wenn man sie direkt oben am Band abzählt, einmal vorne und einmal hinten herunterhängen, immer abwechselnd. Unten bei den Webgewichten ist von dieser Ordnung nichts zu sehen: das gesamte Bündel verdreht sich, eine korrekte Reihenfolge ist dort nicht ablesbar. Dies wird sich im nächsten Schritt ändern. Damit wir den folgenden Schritt Fach für Fach bearbeiten können, werden erst einmal nur die Webgewichte des hintersten Fachs angeknüpft. Die vorderen Fadengruppen bleiben noch in ihrer Luftmaschen-Bündelung, und hängen uns nicht unnötig im Weg.

Kettordner

Der Kettordner ist ein mit den Fingern eingehäkelter Faden quer über alle Kettfäden eines Faches. Er wird eine Handbreit über den hängenden Webgewichten angelegt. Der Faden wird am linken Pfosten des Webstuhls angebunden, und mit dem Finger wird von links nach rechts eine Kette von Luftmaschen gelegt. In jede Luftmasche wird ein einzelner Kettfaden eingelegt und dadurch in seiner Reihenfolge festgelegt. Um Fehler in der Reihenfolge der Kettfäden zu vermeiden, empfiehlt es sich, den jeweiligen Kettfaden von einer zweiten Person zureichen zu lassen, die sich an der geordneten Anfangskante orientiert. Das Ende der Maschenreihe wird verknotet und der Faden am rechten Ständer angebunden. Der Kettordner verhindert nicht nur das Verwirren der Fäden wirkungsvoll, sondern erlaubt auch die eindeutige Identifizierung von Fehlstellen, wie sie aus dem Reißen eines Kettfadens entstehen können. Nach der Fertigstellung des Kettordners am hintersten Fach gehen wir eine Reihe nach vorne, und beginnen dort wieder mit dem Festbinden der Webgewichte.

Breithalter

Die eigentliche Maßnahme gegen ein immer schmaler werdendes Gewebe findet im Webvorgang statt: Der Schussfaden wird in lockeren Bögen eingelegt, damit er genügend Länge hat, die das Auf und Ab zwischen den Kettfäden erfordert. Darüber hinaus gibt es noch die Breithalter als Hilfe.
Das sind Schnüre, mit denen man Webkante in einem festgelegten Abstand zum Pfosten festbindet. Sie sind nicht dazu gedacht, eine Zugfunktion ausüben müssen: Das würde nur zu Löchern am Webrand führen. Die Breithalter sind nur eine optische Orientierung. Sobald sie in Spannung geraten, hat man bereits zu eng gewebt.

Litzenstab

Ein Trennstab ist ja fest installiert, er bildet also ein natürliches Fach. Aber alle weiteren Fächer erfordern, dass auch die im hinteren Fach liegenden Fäden abwechselnd nach vorne gezogen werden müssen. Dazu wird jeder einzelne Faden mit einer Schlaufe an einen Holzstab festgebunden, der vorne vor allen Fadengruppen zugänglich ist. Für eine Leinwandbindung mit zwei Kettfadengruppen benötigen wir also einen Litzenstab, bei einem vierschäftigen Köper brauchen wir drei Litzenstäbe.
Auf dem Litzenstab ist eine Doppelschnur dauerhaft angebracht, die durch zwei Bohrungen an den Enden so fixiert ist, dass sie Ihre Position nicht verändern kann. Hieran werden die Litzen von links nach rechts geknüpft. Der Knoten besteht aus zwei Schlägen. Nach der ersten Schlaufe ist die Länge und Position der Litze leicht justierbar, mit dem zweiten Schlag wird der Knoten fest. Es gibt verschiedene Knoten, die für die Herstellung der Litzen genutzt werden. Der hier gezeigte hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen. Alle Litzen sind leicht auf dieselbe Länge zu bringen, sie können sich während der Arbeit nicht selbst verziehen, dennoch ist eine manuelle Justierung immer möglich.
Ein einfacher Trick sorgt dafür, dass alle Litzen in gleichbleibender Länge geknüpft werden: Temporär befestigen wir einen weiteren Stab hinter der zu bearbeitenden Fadenreihe. Mit jeder Schlaufe wird nicht nur der nächste Kettfaden umschlungen, sondern der Litzenfaden zusätzlich um den hinteren Stab geführt. So wirkt der Stab wie eine Schablone, die dafür sorgt, dass alle Litzen die gleiche Länge haben. Nach Fertigstellung kann der zusätzliche Stab einfach entfernt werden.

Hinweis

Nach dem Einrichten geht es los mt dem Weben! ↗


 
Quellen:
  • Marta Hoffmann, The Warp-Weighted Loom. Studia Norwegica 14, Oslo 1964.