
Foto: Fabian Peise - Lizenz: CC BY-NC 4.0
Die Kunst der Pergamentherstellung: von der Tierhaut zur fertigen Schreiboberfläche
Pergament ist ein hochwertiges Schreibmaterial, das aus der Haut von Tieren hergestellt wird. Der Prozess ist zeitaufwendig und erfordert spezielle Techniken und Materialien. Hier folgt eine detaillierte Anleitung zur Herstellung von Pergament, basierend auf historischen Verfahren.Pergament war über Jahrhunderte hinweg eines der wichtigsten Materialien für die Herstellung von Büchern, Urkunden und Manuskripten. Sein Wert lag in seiner Haltbarkeit, der glatten Schreibfläche und der Möglichkeit, Texte durch Kratzen oder Abschaben zu korrigieren. Es war robuster als Papyrus und ermöglichte aufwändige Verzierungstechniken wie Illuminationen oder Goldverzierungen. Für ein einziges Manuskript wurden oft Dutzende Tierhäute benötigt. Die hohe Nachfrage nach gutem Pergament machte es zu einem Luxusgut, das sich nur wohlhabende oder institutionelle Auftraggeber leisten konnten.
Geeignete Tiere
Die Wahl des Tieres ist von zentraler Bedeutung für die Qualität
und den Einsatzzweck des Pergaments.
Verschiedene Tierarten und Altersgruppen liefern unterschiedliche
Eigenschaften, die sich in Haptik, Festigkeit, Dicke und
Bearbeitbarkeit der Häute widerspiegeln: Schafe oder
Ziegen haben dünne und robuste Häute. Sie sind elastisch und
eignen sich gut für Anwendungen, bei denen
Flexibilität gefragt ist. Häufig genutzt für Buchdeckel oder Dokumente,
die strapazierfähig sein müssen. Ziegenhäute sind oft etwas glatter
und feiner, während Schafhäute weicher sind. Diese Häute lassen sich
leicht verarbeiten und sind traditionell weit verbreitet.
Kälber
wurden für feineres Pergament genutzt, das oft für Manuskripte verwendet
wurde. Generell sind die Häute von jüngeren Tieren
oft dünner und gleichmäßiger. Kalbshäute sind besonders fein und
gleichmäßig. Feineres Kalbspergament ist ideal für filigrane
Malereien oder Illuminierungen.
Jungfernpergament aus ungeborenen Kälbern ist extrem
selten und war früher ein Luxusgut, das nur für besondere Zwecke
verwendet wurde. Es ist extrem fein, durchscheinend und gleichmäßig
in seiner Struktur. Es wurde für wichtige Manuskripte, Königsdokumente
und heilige Texte genutzt.
Von Reh und Hirsch wurden strapazierfähige und
robuste Häute gewonnen, die oft für langlebige Dokumente oder
technische Anwendungen (z. B. Trommelbespannung) genutzt wurden.
Die Häute von Esel oder Pferd waren dicker und wurden
seltener verwendet, da sie schwieriger zu bearbeiten waren.
Pferdehäute fanden eher in der Trommelherstellung Verwendung.
In einigen Kulturen wurde Hundefell für Pergament
genutzt, vor allem, wenn andere Materialien knapp waren.
Känguruhäute wurden in Australien experimentell für
Pergament genutzt, da sie zäh und reißfest sind.
Fischhäute sind selten, aber für spezielle
Anwendungen genutzt, zum Beispiel in Küstenregionen. Fischhäute
ergaben sehr feines, durchscheinendes Pergament.
Werkzeuge für das Enthäuten
Die Enthäutung ist ein kritischer Schritt, der Sorgfalt und die richtigen Werkzeuge erfordert, um die Haut intakt zu halten. Traditionell werden folgende Werkzeuge genutzt:
- Schlachtmesser: Ein scharfes, stabiles Messer für den präzisen Schnitt an der Haut. Die Klinge sollte gut gepflegt und scharf sein, um Verletzungen der Haut zu vermeiden.
- Enthäutungsmesser: Diese Messer haben oft eine gebogene Klinge, die das Trennen der Haut vom Fleisch erleichtert.
- Schaber oder Fleischerkratzer: Zum Entfernen von Fett- und Fleischresten an der Unterseite der Haut. Sie sind flach und scharf genug, um das Gewebe sauber abzuschaben, ohne die Haut zu beschädigen.
- Hautzieher: Ein spezielles Werkzeug, das in der industriellen Verarbeitung genutzt wird, um die Haut gleichmäßig und ohne Risse vom Tier zu lösen. In der handwerklichen Verarbeitung wird dieser Schritt oft manuell durchgeführt.
Abziehen der Haut
Das Abziehen beginnt typischerweise an den Beinen oder dem Bauch. Durch gezielte Schnitte entlang der Muskeln wird die Haut gelöst. Es ist darauf zu achten, nicht zu tief zu schneiden, um das darunterliegende Fleisch nicht zu verletzen oder die Haut zu durchtrennen. Die Tierhaut sollte nicht mit Schmutz, Kot oder Blut verschmutzt werden, da dies die spätere Reinigung erschwert.
Frisch verarbeiten oder konservieren
Die Haut sollte zum Pergamenten frisch verarbeitet werden, da
getrocknete oder schlecht konservierte Häute schwer zu verarbeiten sind.
In einem kühlen Raum (ideal unter 5 °C) können die Häute zur Not einige
Tage gelagert werden, um Fäulnis zu vermeiden.
Einsalzen und anschließend trocknen konserviert die Häute, wenn man sie nicht sofort verarbeiten
kann. Und das spätere Einweichen geht viel besser, wenn man die Häute
vor dem Trocknen gesalzen hat.
Entfleischen
Nach dem Enthäuten ist das Entfleischen der erste Verarbeitungsschritt. Dabei wird das Unterhautbindegewebe zusammen mit Fett- und Fleischresten entfernt. Dieser Schritt ist wichtig, um eine gleichmäßige Oberfläche für die Weiterverarbeitung zu schaffen. Die Haut wird auf einer stabilen, glatten Unterlage fixiert, oft auf einem Holzbock oder einem speziellen Entfleischtisch.
Einweichen
Frische Häute werden einige Stunden, getrocknete Felle 2-3 Tage in einem Waschzuber eingeweicht, um sie geschmeidig zu machen. Währenddessen kann leichtes Ziehen und Walken hilfreich sein.
Spülen
Anschließend spült man die Häute gründlich mit fließendem Wasser.
Herstellung der Äscherlösung
Die Äscherlösung ist eine stark alkalische Flüssigkeit, die hilft,
Haare und Gewebe von der Haut zu lösen.
Pro 10 Liter Wasser werden entweder 250 g gebrannter Kalk (CaO) oder
400 g gelöschter Kalk (Ca(OH)₂) verwendet. Der Unterschied zwischen
gebranntem Kalk und gelöschtem Kalk
liegt in ihrer chemischen Zusammensetzung und der Reaktion
mit Wasser. Beide Stoffe erfüllen denselben Zweck bei der Herstellung der
Äscherlösung: Sie liefern Hydroxidionen (OH⁻), die für das Äschern
der Felle notwendig sind.
Gebrannter Kalk (CaO) ist reaktiver als gelöschter Kalk. Sobald er in
Wasser gegeben wird, entsteht eine exotherme Reaktion (Wärme wird
freigesetzt), die ihn in gelöschten Kalk (Calciumhydroxid) umwandelt.
Erst dann löst er sich teilweise im Wasser, wobei eine alkalische
Lösung entsteht. Schneller und kostengünstiger, aber erfordert
Vorsicht, da die Reaktion gefährlich sein kann (Spritzgefahr,
Verbrennungen).
Gelöschter Kalk (Ca(OH)₂ liegt bereits in der Hydroxid-Form vor. Er löst
sich direkt in Wasser, um die Äscherlösung herzustellen. Er ist einfacher
zu handhaben, da keine Wärmeentwicklung auftritt und keine zusätzliche
Reaktion notwendig ist. Sicherer und einfacher in der Handhabung, aber
meist etwas teurer und benötigt mehr Materialgewicht für dieselbe Wirkung.
Äscherung mit Kalk
Getrocknete Felle muss
man vorher einweichen bis sie wieder flexibel sind, notfalls auch etwas
ziehen und durchwalken und dann nochmal einweichen.
Zum Beispiel In einem in die Erde eingegrabenen Fass werden die
Felle in die Kalkmilch
eingelegt. Zunächst wird die Fleischseite der Haut mit der Kalklösung
bestrichen. Hierfür
verwendet man einen Lumpen, der an einem Stock befestigt ist.
Dann legt man die Felle in die Äscherlösung. Wenn das
Äscherbecken groß genug ist, achtet man darauf die Felle Fleisch auf
Fleisch und Wolle auf Wolle in der Kalklösung zu stapeln.
Die Felle werden in jedem Fall vollständig mit der Kalkmilch bedeckt
und idealerweise bei 15-20 °C
eingelegt. Tägliches Umrühren verhindert ungleichmäßiges Äschern und
Kalkflecken. Unter 15°C läuft der Prozess des Äscherns zu langsam ab,
über 20° ist die Wirkung ungleichmäßig.
Die Einwirkzeit beträgt bei dieser Temperatur 5-6 Tage, wenn es zu kalt ist
bis zu 3 Wochen. Während dieser Zeit setzt die Haarlässigkeit ein, das
heißt, man kann die Wolle leicht abstreifen.
Waschen und Entwollen
Nach der Einwirkzeit werden die Felle gründlich gewaschen, um den Kalk zu entfernen. Die Wolle wird vorsichtig mit einem kantigen Stock abgezogen. Gewalt sollte vermieden werden.
eventuell nachäschern
Wenn sich die Wolle nicht gleichmäßig entfernen lässt, streift man so viel ab wie es möglich ist, und legt die Felle für ein oder zwei Stunden unter beständigem Rühren in ein konzentrierteres Kalkwasser ein.
Spannen der Haut
Die "Blöße" (die enthaarte und entfleischte Haut) wird in einen Holzrahmen gespannt. Dazu werden kleine Kieselsteine in die Zipfel der Haut gelegt, diese umgeschlagen und mit Schnurschlingen am Rahmen befestigt. Die Haut wird dabei faltenfrei und gleichmäßig gespannt.
Trocknung und Bearbeitung
Während des Trocknens wird die Haut mit Kreide eingerieben, um sie
schön weiß zu machen. Mit einem scharfen, gebogenen Messer wird die
Haut von beiden Seiten gleichmäßig dünn geschabt. Dies kann im
durchscheinenden Gegenlicht kontrolliert werden.
Zu hohe Temperaturen während des Trocknens können dazu führen, dass die
Haut spröde wird oder einreißt. Idealerweise erfolgt das Trocknen bei
moderaten Temperaturen zwischen 15 und 25 °C.
Die gut gespannte
Haut wird auf der Narbenseite (dort wo das Fell war) mit einem scharfen Streicheisen
(halbmondförmiges Messer) fest geschabt, vor allem um das Wasser
herauszudrücken. Dann mit einem Pinsel wieder mit sauberem Wasser
bestreichen.
Die Fleischseite mit Kreidepulver bestreuen und mit einem
stumpfen Streicheisen gut schaben. Noch mehrmals mit Kreide einreiben
und abschaben, dann die Fleischseite wieder mit Keide bestreuen und
diese mit einem Bimsstein einreiben, bis
Adern und Unebenheiten verschwunden sind.
Bleichen
Während des Trocknens und Spannens der Haut im Rahmen wurde Pergament traditionell in der Sonne gebleicht, da das UV-Licht zur Aufhellung beiträgt. In späteren Zeiten kamen chemische Methoden hinzu, wie die Behandlung der Haut mit Schwefeldioxid (SO₂). Dieses Gas wurde durch das Verbrennen von Schwefel erzeugt und half, die Haut weiter aufzuhellen und gleichzeitig zu desinfizieren. Dann schneidet man die Haut aus dem Rahmen heraus, die Zipfel zum Festspannen können nicht verwendet werden.
Lagerung und Weiterverarbeitung
Das Pergamentblatt wird auf Format zugeschnitten. Um das fertige
Pergament zu lagern, wurde es trocken und lichtgeschützt in speziellen
Behältern oder Kisten aufbewahrt, oft zwischen Stofftüchern, um Schäden
durch Reibung zu vermeiden.
Bei der Weiterverarbeitung wurde das Pergament häufig geglättet und
poliert, bevor es beschrieben oder bedruckt wurde. Dünne Schichten von
Glättemitteln wie Eiweiß oder Stärke wurden
aufgetragen, um eine haltbare Oberfläche für das Schreiben oder Malen
zu erhalten: Eiweiß, insbesondere das Eiklar von Eiern, wurde als
bevorzugtes Mittel genutzt. Es wurde auf das Pergament aufgetragen und
dann sanft mit einem Stein oder einem speziellen Werkzeug in die Haut
eingearbeitet. Dies hatte den Effekt, das Pergament zu verdichten und zu
glätten, wodurch eine fast glänzende Oberfläche entstand, die zudem eine
gewisse Wasserfestigkeit erlangte. Alternativ wurde auch Stärke verwendet,
die oft aus Weizen oder Reis gewonnen wurde. Sie konnte entweder in
flüssiger Form aufgetragen oder in eine Paste verwandelt und dann mit
einem Schleifstein bearbeitet werden. Diese Methode ermöglichte eine
feinere Textur, die sich besonders gut für die Tinte und das Malen von
Miniaturen eignete, was im Mittelalter und der frühen Neuzeit von
besonderer Bedeutung war.
- Fabian Peise: "Düppeler Lexikon" (Onlinepublikation), 2004.
- Die Fabrikation des Pergaments und der Darmsaiten, oder ausführliche, auf die neuesten Fortschritte gegründete Anweisung zur Bereitung sowohl des Schreib- und Malerpergaments (...). Weimar 1862.