
Vom Kalkstein zum Mörtel
wozu verwendet man Kalk überhaupt?
Kalk war über Jahrhunderte einer der wichtigsten Grundstoffe des Bauens.
Aus gebranntem und anschließend gelöschtem Kalk entstehen Mörtel, Putz,
Anstriche, Schlämme, Stuckmassen und manchmal auch pigmenthaltige Tünchen.
Der enorme Bedarf im Haus- und Städtebau machte den Kalkbrand zur
verbreiteten Technik.
Neben dem Bauhandwerk fand Kalk auch in der Landwirtschaft (als
Bodenverbesserer), der Gerberei, im der Metallverhüttung zur
Schlackeregulierung, oder bei der Seifenherstellung Verwendung.
Eine weitere wichtige Anwendung von Kalk ist seine Rolle bei der
Stallhygiene und im Pflanzenschutz.
In Ställen wird Kalk traditionell zweimal jährlich aufgetragen.
Dies dient der Desinfektion. Kalk wirkt stark alkalisch und
schafft so ein Milieu, in dem sich Bakterien und Pilze nicht gut
vermehren können. Dies reduziert die Ausbreitung von Krankheiten unter
den Tieren erheblich und verbessert die Stallhygiene.
Kalk ist
entscheidend für Obst- und Weinbau, da Kalzium eine Schlüsselrolle bei
den natürlichen Abwehrkräften der Pflanzen spielt. Eine Mischung aus
Kupfervitriol und
gabranntem Kalkwasser war ein Spritzmittel der Weinbauern.
Eine besonders drastische, aber historisch bedeutende Anwendung von Kalk
fand sich in Zeiten großer Epidemien, wie etwa der Pest. Um die
Ausbreitung von Krankheiten einzudämmen und die Seuchengefahr zu
minimieren, wurden Leichenberge oder Massengräber oft mit ungelöschtem
Kalk bedeckt. Die stark ätzende Wirkung des Kalks beschleunigte
die Zersetzung der Körper und verhinderte die Ausbreitung von
Pathogenen.
der Kalkkreis
Aus Kalkstein entsteht durch Brennen Branntkalk. Dieser wird mit Wasser gelöscht und verwandelt sich dabei in gelöschten Kalk – Grundlage für Mörtel, Putze oder Anstriche. Im Laufe der Zeit reagiert das Material mit dem Kohlendioxid der Luft und verfestigt sich durch sogenannte Karbonatisierung allmählich wieder zu Kalkstein. Dieser Kreislauf ist seit der Antike bekannt und wurde über Jahrhunderte gezielt genutzt. Jeder einzelne Schritt vom Stein bis zum Putz erfordert handwerkliche Erfahrung, Wissen und Sorgfalt.
Kalkstein gewinnen
Nicht selten griff man auch zu bereits bearbeitetem Stein: Antike Bauten, Gräber und Tempel lieferten hochwertige Kalk- und Marmorsorten in handlichen Quadern. Besonders im Mittelalter wurden Spolien systematisch zerlegt; nicht nur zum Bauen, sondern auch zum Kalkbrennen. Marmor ergibt besonders reinen Branntkalk, was für anspruchsvollere Verputze, Stuckarbeiten oder Mörtel ein Vorteil war.
Der Kalkbrenner unterscheidet Weißkalke und Graukalke: Weißkalke sind Marmorkalk, Kalkspat und Muschelkalk. Diese Rohstoffe enthalten weniger als 10% Kiesel- und Tonerde. Der gebrannte Kalk aus Weißkalk wird als Fettkalk bezeichnet.
Graukalke enthalten 15-30% Fremdanteile. Sie haben beim Löschen eine geringe Quellfähigkeit, fühlen sich körnig und weniger geschmeidig an, und vertragen zum Mörtel weniger Sand. Trotzdem: als Mörtel sind sie gut brauchbar. Der gewonnene Kalk wird als Magerkalk bezeichnet.
Vom Stein zum Branntkalk
Vom Branntkalk zum gelöschten Kalk
Wieder zurück zum Kalkstein – das Auskarbonatisieren
Diese Rückverwandlung verläuft ausgesprochen langsam. In dichten Mauerwerken schreitet die Karbonatisierung nur wenige Millimeter pro Jahr in die Tiefe voran. Eine dicke Burgmauer, die mit reinem Kalkmörtel aufgemauert wurde, kann Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte benötigen, bis der Mörtel im Inneren vollständig auskarbonatisiert ist. Diese langsame Festigung hat bemerkenswerte bautechnische Folgen: Frisch errichtete Kalkmauerwerke bleiben über lange Zeiträume elastisch und können geringfügige Setzungen oder Mikrobewegungen im Baugefüge aufnehmen, ohne zu reißen. Erst mit fortschreitender Karbonatisierung verfestigt sich das Gefüge dauerhaft. Gerade im historischen Baubestand ist dieses Verhalten ein wesentlicher Grund dafür, dass sich viele Altbauten so lange erhalten konnten, bei gleichzeitiger Schadensfreiheit trotz geringer Fundamentierungen.
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- Dr. Lisch: Über das Mauerwrk des Mittelalters und das Kalkbrennen auf der Baustätte. In: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Schwerin 1851.
- Richard Burghardt: Praktische Anleitung zum Kalkbrennen im Schachtofen, 1924
- Bäuerliche Kalkbrennerei. Teil 1 und Teil 2
- R. Leineweber, K.-U. Uschmann: Experimentelle Branntkalkerzeugung in einem germanischen Grubenofen als Pilotversuch. Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 83, 2000, 125-140.
- A. von Müller, M. Zimmermann: Ein kaiserzeitlicher Kalkbrennofen aus Berlin-Tiergarten. Berliner Blätter für Vor- und Frühgeschichte 90, 1960, 109-140.