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Strohflechten in der Wulsttechnik
Abgrenzung zu ähnlichen Techniken:
Die Verarbeitung von Stroh ist vielfältig, und jede Technik hat ihre eigenen Besonderheiten. Hier eine kurze Übersicht der Unterschiede:
- Einzelhalmverarbeitung: Für Hüte oder dekorative Strohsterne wird jeder Halm einzeln geflochten, gefaltet oder geknotet. Diese Technik erlaubt präzise Muster und feine Details.
- Seilherstellung: Stroh wird zu dichten Bündeln zusammengefasst, die durch Drehen und Zwirnen stabilisiert werden. So entstehen belastbare Schnüre und Seile.
- Lockere Schüttung: Stroh wird lose verwendet, z. B. als Füllmaterial für Bettkästen, Matratzen oder Kissen. Die Halme bleiben dabei flexibel und sorgen für eine luftige, leichte Polsterung.
- Feste Stopfung: Hier wird das Stroh verdichtet, um feste Formen zu schaffen, wie bei Klöppelkissen oder Spielpuppen. Die Halme werden so gestopft, dass sie stabil und robust sind.
- Dachdecken: Für Strohdächer werden die Halme in dichten Bündeln übereinandergelegt und befestigt, sodass sie Schutz vor Regen und Wetter bieten.
- Wulsttechnik: Bei dieser Methode wird ein dicker Strohstrang spiralförmig gelegt und mit einer dünnen Schnur, Tannenwurzeln oder einem anderen Bindematerial umwickelt. Das Umwinden fixiert die Form und gibt dem Werkstück Stabilität.
Objekte die in dieser Technik aus Stroh gefertigt werden können
Die Wulsttechnik erlaubt die Herstellung einer beeindruckenden Vielfalt an Objekten, darunter:
- Kopfbedeckungen (vor allem zum Schutz vor Stößen, wie einem mittelalterlichen Bauhelm, und als korbartige Tragvorrichtungen für den Kopf in einigen ländlichen Kulturen.)
- Dekorative Elemente (Erntekronen)
- Körbe und Behälter
- Schutzhüllen und Verpackungen (Flaschen oder Tongefäße wurden oft mit Stroh umwickelt, um sie vor Stößen zu schützen.)
- Gärkörbe für Brot
- Bienenkörbe (Korbbeuten und Bogenstülper)
benötigte Materialien
- Stroh: Am besten dünnes Roggenstroh von magerem Boden.
- Wurzeln: Dünne Tannenwurzeln, die in Bänder gespalten werden.
- Werkzeuge: Eine Flechtnadel, ein Pfriem und ein Rinderhorn.
Wie bereitet man Stroh zum Flechten vor?
Roggenstroh ist ideal, weil es stabil und langlebig ist. Als Stroh zum
Wulstflechten eignet sich am besten auf magerem Boden gewachsenes
Roggenstroh, weil die einzelnen Halme dann dünn sind und das Werkstück
dadurch
fester wird. Das Stroh muss mit der Hand gedroschen sein, oder noch besser
muss das
Korn über einen Balken oder auf einem Tisch ausgeschlagen werden, damit
die Halme möglichst heil bleiben. Man nimmt dann je eine Handvoll Stroh,
fasst sie mit der linken Hand am Kopfende und kämmt mit den Fingern der
rechten Hand nach unten die Halme schlicht, wobei alle kurzen Enden und
sonstigen Beimengungen ausgeschieden werden. Die Schnittenden der Halme
werden dann auf eine Unterlage gestoßen, so dass sie alle in gleicher
Höhe liegen. Dann entfernt man vom Kopfende der Halme nach Möglichkeit die
Ähren, weil dadurch einmal eine glattere Oberfläche entsteht und
weil man anderenfalls durch die in den Ähren verbliebenen Körner die Mäuse
anlockt.
Kann man kein passendes Roggenstroh erhalten, so lässt sich zur
Not auch gut gereinigtes Haferstroh verwenden, das ebenfalls von den Ähren
befreit werden muss.
Tannenwurzeln als Flechtmaterial
Als Flechtmaterial verschafft man sich Tannenwurzeln. Diese kann man aus
sandigem Boden leicht in Längen von 2-3 m aus der Erde reißen. Sie müssen
etwa finger- bis daumendick sein und werden zum Gebrauch in dünne Bänder
gespalten.
Das Spalten macht man in folgender Weise: Man schneidet zuerst ein Ende
in der Mitte ein und biegt dann am Ende des Schnittes die Wurzel scharf
durch. Dadurch setzt sich der Spalt von selbst fort. Man fährt nun fort,
Stück um Stück weiter zu knicken und spaltet so die Wurzel der Länge nach
auf. Wollte man das Spalten mit dem Messer besorgen, so würden die beiden
Teile ungleich dick bzw. würde das Messer leicht zur Seite ausrutschen.
Dieses Spalten und Biegen setzt man mit dem einzelnen Teilen solange
fort, bis man Bänder von etwa 2 mm Dicke hat. Unebenheiten der Bänder
putzt man mit dem Messer ab und hat so ein vorzügliches Flechtmaterial.
Kiefernwurzeln sind brüchig und eignen sich nicht zum Flechten.
Das richtige Werkzeug
Die Flechtnadel ist eine Art Packnadel von 15 bis 18 cm Länge, die am dicken Ende aufgespalten ist, um das Ende des Bindematerials aufzunehmen. Zum Vorstechen für die Nadel gebraucht man einen starken Pfriem im Holzgriff. Man baut ihn am besten aus Enden von Geweih oder aus schräg angesägten Metakarpen kleinwüchsiger Wiederkäuer (Schafe, Ziegen). Das Rinderhorn dient dazu, um dem zu vernähenden Strohwulst immer gleiche Dicke zu geben. Es ist so abgesägt, dass der innere Durchmesser am distalen Ende ca 5 cm misst. Man kann das Stroh bequem am weiten, proximalen Ende einführen.
Projektbeispiel: Bienenkorb
Man steckt soviel Stroh durch den Ring, wie er fassen kann, schneidet
das vorstehende Ende möglichst glatt und knickt es scharf um, so dass
der Anfang einer Schnecke entsteht, die mit dem Flechtfaden sofort
fest vernäht wird. Es darf in der Mitte kein Loch bleiben. Ist der
Anfang erst gemacht, so geht das weitere Flechten schon leichter.
Man schiebt den Ring etwas zurück und vernäht das freiwerdende Stück
des Strohwulstes in der Weise, dass man etwa ein Drittel des fertig
genähten Wulstes mit der Nadel fasst und nun scharf anzieht. Je
fester die Naht angezogen wird, desto haltbarer wird der Korb.
Es gibt dabei für ungeübte Hände erst einige Blasen, die man aber
vermeiden kann, wenn man sich aus einem alten Stück Leder einen
Schutz für die rechte Hand anfertigt. Manche Korbflechter helfen sich
in der Weise, dass sie den Flechtfaden zum Schluss mit einer
Flachzange fest anziehen. Das schützt zwar die Hand, verlangsamt
aber auch die Arbeit.
Beim Weiterflechten wird immer so viel Stroh nachgeschoben, dass der Ring
stramm gefüllt ist. Als Muster dient ein gut geflochtener Bienenkorb.
Da, wo die
Wölbung in die gerade Seitenwand übergeht, wird das Flugloch angebracht.
Es wird etwa 6-7 cm breit. Man fasst an der Stelle den fertigen Wulst
nicht mehr mit der Flechtnadel, sondern näht nur den halben neuen Wulst
an der unteren Seite mit engen Stichen in der Breite des Flugloches
weiter und fasst dann wieder auf den fertigen Wulst über. Später wird
dann mit einem scharfen Messer das überschüssige Stroh weggeschnitten
und das Flugloch freigelegt. Ist ein Nähfaden zu Ende und soll ein
neuer angefangen werden, so knickt man das Ende des alten Bandes
rechtwinklig um und steckt es seitwärts unter. Ebenso wird der Anfang
des neuen Fadens umgeknickt und in die Knickung des alten Fadens
geschoben. Es ergibt sich dann eine feste Verbindung. Auch beim Flicken
gesprungener Nähte ist diese Verbindung dringend zu empfehlen. Man legt
diese Verbindungsstellen an die Innenseite der Körbe, die Außenwand darf
nur schlichte Nähte zeigen. Die Tannenwurzelbänder legt man vor
Gebrauch erst einige Zeit ins Wasser, da sie dann
geschmeidiger werden und nicht so leicht brechen. Die unterste Naht am
Korb wird besonders fest und eng hergestellt, weil diese Stelle am
meisten beansprucht wird.
- Fabian Peise: Düppeler Lexikon (Onlinepublikation), 2004