
Sand: Ein vielseitiges Material in Handwerk und Alltag
was ist eigentlich Sand?
Sand hat Korngrößen zwischen 0,063 mm und 2 mm. Die Untergrenze
liegt dort, wo wir einzelne Körner gerade noch mit bloßem Auge
erkennen. Feinere Körnungen bezeichnet man als Schluff
(0,002 mm bis 0,063 mm). Schluffpartikel sind nicht mit bloßem Auge
erkennbar und fühlen sich im feuchten Zustand seifig an. Noch feinere Partikel
bilden Ton (unter 0,002 mm). Ton verhält sich plastisch.
Bei größeren Partikeln als Sand spricht man von Kies (2 mm bis 63 mm),
wenn die Körner rund bis schwach kantig sind. Sind die Körner in diesem
Größenbereich jedoch scharfkantig und gebrochen, werden sie als Splitt
bezeichnet.
Grus entspricht in der Korngröße meist dem Sand oder Feinkies, ist aber
scharfkantig. Lehm ist keine Korngrößenfraktion, sondern ein variables Gemisch aus Ton, Schluff
und Sand.
Ein Körnchen voller Geheimnisse
Sand wirkt auf den ersten Blick banal. Doch hinter der scheinbaren Einfachheit verbirgt sich eine immense Vielfalt an Eigenschaften, die selbst Materialforscher noch heute vor Herausforderungen stellt, wenn sie alte Mörtel reproduzieren wollen.
von scharfkantig bis rund
Sand entsteht in der Natur durch Erosion, bei der
Gesteinskörner durch Wind und Wasser rundgeschliffen werden.
Benötigt man hingegen scharfkantige Körnung, werden
Gesteinsbrocken in Walkmühlen zerstoßen.
Natürlicher, rauherer
Quarzsand findet sich auch in Verwitterungszonen quarzreicher
Gesteine wie Granit oder Gneis. In diesen sogenannten "Grus-Lagerstätten"
bleiben die Quarzkörner kantig,
da sie nicht über weite Strecken transportiert und abgerundet wurden.
Dieser Grus wird besonders geschätzt für Anwendungen, die eine hohe
Haftung erfordern.
von groß bis klein
Für viele Anwendungen wird Sand durch Sieben in
verschiedene Korngrößen getrennt. Diese Fraktionierung ist entscheidend,
um die gewünschten Materialeigenschaften für den jeweiligen Einsatzzweck
zu erzielen.
Für feinere Korngrößen kann die Trennung von Partikeln nach Größe und
Dichte auch durch Schlämmen erfolgen. Dabei wird der Sand im Wasser
aufgemischt, und die unterschiedlich großen Körner sinken zeitlich
versetzt zu Boden.
Was im Sand sonst noch steckt
Auch wenn meist vom Quarzsand die Rede ist, besteht natürlicher Sand
fast nie ausschließlich aus Quarz. Je nach Herkunftsgebiet finden sich
darin zahlreiche weitere Minerale und Gesteinstrümmer: etwa Karbonate wie
Kalkspat (Calcit) und Dolomit, die aus zerriebenen Muschelschalen oder
Kalkgesteinen stammen, aber auch Silikate wie Feldspat, Glimmer oder
Amphibole. Besonders in Fluss- und Gletschersanden, wie sie etwa im
Berliner Urstromtal vorkommen, ist die Mischung oft sehr bunt: ein
geologischer Querschnitt durch ganze Landschaften. Solche Beimengungen
beeinflussen nicht nur Farbe und Bindeverhalten, sondern können auch
chemisch mit dem Bindemittel reagieren.
Wer Sand selbst gewinnt oder mit
historischen Mörtelrezepten arbeitet, sollte daher genau hinschauen und
sich in die geologischen Untersuchungen seiner Heimatregion einlesen.
Kalkanteil nachweisen
Sande aus natürlichen Ablagerungen, aus Flüssen, Urstromtälern oder
Küstenbereichen, enthalten fast immer einen gewissen Anteil an
kalkhaltigem Material. Das reicht von mikroskopisch feinem Muschelbruch bis zu
gut sichtbaren Kalkgrus-Teilchen. Für historische Kalkputze oder Fresken
kann das problematisch sein: Nicht gebundene Kalkreste im Zuschlag können
während oder nach dem Abbinden des Mörtels mit Wasser reagieren
und sogenannte „Kalktreiber“ bilden. Dabei quellen die Partikel
auf und verursachen Spannungen im Putzgefüge, was zu Abplatzungen
oder Ausblühungen führen kann.
Kalkhaltiger Sand ist also nicht grundsätzlich ungeeignet, aber er
erfordert eine sorgfältige Auswahl und gegebenenfalls eine
Voruntersuchung, insbesondere bei hochwertigen Anwendungen wie
Kalkglätte, Stuck oder Freskomalerei, wo eine dauerhaft stabile und
feinporige Oberfläche entscheidend ist.
Der Essig-Test ist ein einfaches, praxisnahes Mittel, um zu prüfen,
ob ein Sand kalkhaltige Bestandteile enthält – etwa Kalkspat (CaCO₃),
Muschelschalenreste oder Dolomit. Hier die Vorgehensweise:
Nun folgt der praktische Teil: Anwendungen von Sand im historischen Handwerk.
Zuschlagstoff im Mörtel
Sand macht den Großteil des Mörtelvolumens aus und verleiht ihm Struktur, Festigkeit und Volumenstabilität. Ohne den richtigen Sand würde der Mörtel rissig werden oder nicht ausreichend tragen. Der Sand wird zunächst durch Sieben oder Schlämmen nach Korngrößen sortiert und anschließend in einer gezielten Körnungsverteilung neu gemischt. Das Verhältnis unterschiedlicher Korngrößen wird als Sieblinie bezeichnet. Eine optimale Sieblinie sorgt für eine gute Packungsdichte, weniger Hohlräume und damit für einen dichteren, festeren und schwindungsärmeren Mörtel. Zu viel Feinanteil kann den Mörtel spröde machen, zu viel Grobanteil macht ihn schwer zu verarbeiten.
Glasherstellung
Hochreiner Quarzsand (SiO2) ist der Hauptbestandteil von Glas. Er muss sehr rein sein, insbesondere arm an Eisenoxiden, die zu unerwünschten Verfärbungen führen würden. Je höher die Reinheit, desto klarer das Glas. Historisch war die Verfügbarkeit von solchem Sand entscheidend für die Entwicklung der Glasbläserei und Fensterscheibenproduktion.
Formenbau im Bronze- oder Eisenguss
Beim direkten Sandguss wird oft ein festes Modell (Holz, Metall) direkt in den Sand gedrückt und dann entfernt. Eine Variante der Technik nutzt Wachsmodelle, die ausgeschmolzen werden. In beiden Fällen behält eine spezielle Sandmischung (Formsand) die Negativform, in die das flüssige Metall eingegossen wird. Formsand war meist Quarzsand, der mit einem Bindemittel (oft Ton, Tierhaare oder organische Stoffe) vermischt wurde, um ihm die nötige Plastizität und Formstabilität zu verleihen. Die spezifische Mischung und Aufbereitung des Formsandes waren entscheidend für die Qualität des Gussstücks (Oberflächengüte, Maßhaltigkeit). Die Korngröße hing vom zu gießenden Objekt ab.
Schleif- und Poliermittel
In verschiedenen Korngrößen wurde Quarzsand zum Schleifen von Steinen, Metallen, Holz und Glas verwendet. (siehe Edelsteinschleiferei ↗). Zum Schleifen und Polieren nutzte man nicht nur losen Sand Als Schleif- und Poliermittel dienten sowohl loser Sand, der meist mit Wasser oder Öl angerührt wurde, in verschiedenen Körnungen, als auch Sandsteinblöcke. Die Schleifwirkung der Sandsteine variierte dabei je nach Feinheit der in ihnen gebundenen Sandkörner.
Filtermedium
Grober, sauberer Quarzsand diente zur Reinigung von Wasser in Brunnen oder Zisternen sowie zur Filterung von Säften und Flüssigkeiten in handwerklichen Prozessen. Relativ grober, sauberer Quarzsand, der eine gute Durchlässigkeit für Wasser, aber eine ausreichende Filterwirkung für Partikel besaß. Die Körner durften nicht zu fein sein, um Verstopfungen zu vermeiden.
Bodenstabilisierung und Drainage
Als Unterbau für Wege, Plätze oder Fundamente verteilte Sand Lasten und gewährleistete Drainage. Grobsand oder Kies für Drainage und Lastverteilung, feinerer Sand zum Ausgleich und als Bettung. Die Reinheit war hier weniger kritisch als bei Mörtel, aber organische Stoffe waren auch hier unerwünscht.
Füllmaterial und Estrich
Sand wurde zum Nivellieren von Böden, als Füllmaterial in Hohlräumen oder als Basis für Pflasterungen verwendet. Oftmals war hier eine weniger strenge Selektion der Korngröße oder Reinheit nötig, aber ein bestimmtes Schüttgewicht und die Stabilität waren wichtig.
Schutz vor Verzunderung im Schmiedehandwerk
Beim Feuerschweißen (oder auch Damastschmieden),
bei dem zwei oder mehr Metallstücke bei hoher Temperatur
miteinander verbunden werden, ist es entscheidend,
die Bildung einer dicken Oxidschicht (Zunder) auf der Metalloberfläche
zu verhindern. Dieser Zunder würde das saubere Verbinden
der Metallstücke beeinträchtigen.
Feiner Quarzsand wird als Flussmittel verwendet. Er wird auf das
glühende Metall gestreut, sobald es die richtige Schweißtemperatur
erreicht. Der Sand schmilzt bei diesen Temperaturen und bildet eine
dünne, glasige Schutzschicht auf der Oberfläche des Metalls. Diese
Schicht verhindert, dass Sauerstoff aus der Luft an das Metall gelangt
und es oxidiert. Beim Hämmern wird die geschmolzene Glas-Zunder-Schicht
aus dem Spalt gepresst, und die sauberen Metallflächen können miteinander
verschweißen.
Hierfür war reiner, feiner Quarzsand ideal, da er einen
hohen Schmelzpunkt hat und eine stabile Glasschicht bildet. Manchmal
wurde er auch mit Borax (Natriumtetraborat) gemischt, das den
Schmelzpunkt weiter senkt und die Flussmittelwirkung verbessert.
Abstützung und Bettung von Werkstücken
Heiße oder kompliziert geformte Werkstücke wurden manchmal in Sand gebettet, um Verformungen während des Abkühlens zu verhindern. Die Körnung ist dabei weniger kritisch, solange der Sand stabil ist und keine unerwünschten Verunreinigungen enthält.
Sand als Magerungsmittel beim Töpfern
Reiner Ton wird als "fett" bezeichnet. Körnige Zuschlagstoffe machen ihn somit "magerer". Beim Töpfern wird Sand als Magerungsmittel verwendet, um den Schwund von Tonerden beim Trocknen und Brennen zu reduzieren und Rissbildung zu verhindern. Die Sandkörner bilden ein Gerüst, das die Spannungen in der Tonmasse vermindert. Eine gewisse Porosität, die durch Sandbeimischung entsteht, kann die Hitzeschockbeständigkeit des gebrannten Töpferguts erhöhen. Die Art, Körnung und Fraktionierung des bevorzugten Magerungsmittels sind wichtige archäologischer Anzeiger für die zeitliche und kulturelle Einordnung der Keramik, sowie den ursprünglichen Verwendungszweck.
Löschsand (zum Feuerlöschen)
Sand wird zum Löschen kleinerer Brände eingesetzt, insbesondere von brennenden Flüssigkeiten (z.B. Öl, Fett, Benzin) oder Metallbränden. Er wirkt primär durch Erstickung, indem er die Sauerstoffzufuhr unterbricht, und sekundär durch Kühlung. Hierfür wird trockener, sauberer Quarzsand benötigt, der nicht zu fein ist, um weggeweht zu werden, und nicht zu grob, um den Brandherd gut abzudecken. In Werkstätten, in denen mit brennbaren Materialien oder offenen Flammen gearbeitet wurde, war ein Eimer Sand als einfaches und effektives Löschmittel oft griffbereit.
Löschsand (zum Schreiben mit Tinte)
Vor der Erfindung von Löschpapier (das um 1840 populär wurde) diente Löschsand als gängiges Mittel, um frisch aufgetragene Tinte zu trocknen. Sehr feiner Quarzsand wurde auf das Schriftstück gestreut, um überschüssige Flüssigkeit aufzusaugen und die Tinte schneller zu fixieren. Der Sand wurde anschließend einfach abgekippt oder vorsichtig abgepustet. Dieser Sand wurde oft in speziellen Sandstreuern aufbewahrt und war ein fester Bestandteil des historischen Schreibzeugs. Der Sand musste sehr fein sein, vergleichbar mit Puder oder sehr feinem Staub. Grobe Körner hätten die Schrift beschädigt oder das Schreibmaterial zerkratzt. Die Oberfläche des Sandes musste saugfähig sein, um die flüssige Tinte schnell aufnehmen zu können. Dies ist bei Quarzsand gegeben. Dieser spezielle Sand wurde oft durch sehr feines Sieben oder durch Schlämmen gewonnen. Häufig wurde heller, oft weißlicher Sand verwendet, da er sich gut vom Schriftbild abhob. Manchmal wurde der Sand auch eingefärbt (z.B. rot), um ein ansprechenderes Aussehen zu erzielen oder um ihn besser von der Tinte zu unterscheiden, was jedoch rein ästhetischer Natur war.
Stubensand
Stubensand war eine alltägliche Anwendung zur Reinigung und Haushaltshygiene. Die Fußböden in Wohnräumen wurden in einigen Regionen noch bis ins 19. Jahhundert mit feinem, sauberen Sand als Einstreu bedeckt. Der Sand saugt Feuchtigkeit auf, bindet Gerüche, und bietet Rutschfestigkeit auf Böden. Einmal wöchentlich, oder bei vermieteten Zimmern bei jedem Gastwechsel, wurde der alte Sand zusammengefegt und mit frischem ersetzt. Mit dem Besen wurden oft Ornamente eingefegt, die nicht nur dekorativ waren, sondern in manchen Fällen auch als Zeichen der Sauberkeit und Unberührtheit des Bodens dienten. "Sandmänner" verkauften den Stubensand an die Haushalte. Sie bauten Sand in der Umgebung der Städte ab, und bereiteten ihn durch waschen und Sieben auf, um eine sehr feine, gleichmäßige Körnung zu gewährleisten. Oft wurde heller, fast weißer Quarzsand bevorzugt, da er Sauberkeit suggerierte.
Waschsand
Tongeschirr, insbesondere unglasiertes oder nur teilglasiertes Geschirr, ist porös und schwer zu reinigen. Speisereste, Fett und Ruß (vom Kochen über offenem Feuer) setzten sich leicht fest. Grober Sand diente als mildes Scheuermittel (ähnlich wie Scheuermilch oder ein Scheuerschwamm heute). Man verwendete Wasser, oft kaltes, und gab eine Handvoll groben, sauberen Sand dazu. Mit den Händen oder einem Tuch, das den Sand aufnahm, rieb man die Oberflächen des Geschirrs ab. Der Sand half, hartnäckige Verkrustungen und Schmutz mechanisch zu lösen, ohne das Tongeschirr übermäßig zu zerkratzen (obwohl leichte Abnutzung unvermeidlich war). Anschließend wurde das Geschirr gründlich mit Wasser abgespült, um alle Sandkörner zu entfernen.
Weiterdenken?
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