veröffentlicht am: 24.10.2025, Aufrufe: 90

Das Mosaik-Handwerk: Materialkunde und traditionelle Verlegepraxis

Dieser Artikel stützt sich auf einen unmittelbaren Einblick in die traditionelle handwerkliche Mosaikpraxis, den ich vor 2001 in der Werkstatt Heinrich Jungebloedt durch die renommierte Künstlerin Elisabeth Jeske († 2002) erhielt. Frau Jeske, die letzte Leiterin der traditionsreichen Werkstatt und Expertin in Materialkunde und Verlegetechniken, vermittelte ein umfassendes Verständnis der klassischen Kunst des Mosaiks.

Die Ursprünge der Mosaikkunst

Die Mosaiktechnik hat frühe Vorgänger, doch im eigentlichen Sinn kommt die Technik erst ab dem 4. vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland auf. Dort war es ein reiner Bodenbelag aus naturfarbenen Kieselsteinen, und später aus zugeschnittenen Steinchen (Tesserae) aus Marmor, farbigem Gestein und Halbedelsteinen. In Rom ist Plinius der Ältere († 79) ein Zeitzeuge, der den Wandel vom althergebrachten Bodenbelag zur Verzierung von Wänden und Gewölben beobachtet.

Historische Mörtel

Bodenmosaik: Die Lastaufnahme durch den massiven Unterbau (Pavimentum)

Die hohe Belastbarkeit eines Bodens erfordert einen massiven Unterbau. Überliefert ist eine dicke Schicht aus Schotter oder Keramikbruch als Grundlage (Statumen), darüber eine Lage aus Kalkmörtel mit grobem Schutt (Rudus), die die eigentliche, plan gezogene Bodenschicht aus Kalkmörtel und Ziegelmehl (Nucleus) trägt. Wenn dieser Bodenaufbau abgebunden ist, wird eine letzte Lage von 3-5 mm dickem Kalkmörtel aufgebracht, in die die Mosaiksteinchen einzeln hineingedrückt werden.

Wandauftrag: Aufbau des Untergrunds für dauerhafte Mosaike

Materialien wie Glas und Goldtesserae erfordern stabileren, feiner modellierbaren Untergrund. Das Mauerwerk wird gereinigt und angefeuchtet, und gegebenenfalls mit Lehmschlick oder Kalkmilch vorbereitet.
Die erste Trägerschicht (Arriccio Grosso) besteht aus grobem Kalkmörtel (etwa 1 Teil Kalk, 2 Teile Sand, 1 Teil Ziegelsplitt) mit Korngrößen bis zu 2-5 mm. Zur Haftung können gehackte Strohfasern oder Tierhaare beigemengt werden. Der Mörtel wird in einer Schichtdicke von 10-15 mm aufgetragen.
Die zweite Trägerschicht (Arriccio Fine) enthält feinen Kalkmörtel mit Ziegelmehl (Cocciopesto) in einer Körnung bis 2mm. Das feine Ziegelmehl reagiert mit dem Kalk und Wasser. Diese Reaktion verleiht dem Putz hydraulische Eigenschaften: er wird besonders dicht und wasserabweisend. Die Schicht wird 5-10 mm dick aufgetragen und an der Oberfläche leicht aufgeraut, um Haftung zur nächsten Schicht zu sichern.
Darüber liegt die Einbettungsschicht (Intonaco). Sie besteht aus sehr feinem Kalkmörtel, häufig mit Ziegelmehl, manchmal mit geringem Zusatz von Gips oder pulverisiertem Marmor, um schnelleres Anziehen zu ermöglichen. (Achtung: Gips beschleunigt die Abbindung extrem und kann die Zeit der notwendigen Plastizität empfindlich verkürzen. Der Zusatz von Gips sollte daher nur sehr dosiert für kleine, zeitkritische Partien angewandt werden).
Die Körnung ist unter 1 mm und die Schichtdicke 3-5 mm. In diese letzte Schicht wurden die Tesserae direkt eingedrückt, solange der Mörtel plastisch war. Der entscheidende Punkt ist die standfeste Konsistenz des Intonaco: Ist er zu nass, sinken die Tesserae ab; ist er zu trocken, haften sie nicht mehr. Daher wurde in kleinen Abschnitten („a giornata“) gearbeitet, genau wie beim Fresko. So konnten die Tesserae in frischen, feuchten Kalkmörtel gesetzt werden, der beim Abbinden eine unlösbare Verbindung herstellte.

Die Grundmaterialien der Tesserae

Marmor und Naturstein: Spaltung und Vorbereitung

In Antike und Mittelalter wurde das Material weitgehend ohne Sägen gearbeitet. Kleinformatige Marmorreste fielen im allgemeinen Baubetrieb an. Faustgroße Stücke wurden direkt mit Hammer und Meißel bearbeitet. Man nutzt die natürlichen Spaltrichtungen und Schwächen des Steins. Marmor hat eine kristalline Struktur und ist in bestimmte Richtungen besser spaltbar als in andere. Die resultierenden Tesserae waren in der Regel weniger gleichmäßig in Größe und Form. Die Kunst des Handwerkers bestand darin, die unregelmäßig gehauenen Steine so zu legen, dass das Gesamtbild harmonisch wirkte.
Wenn wir heute Marmor oder Naturstein nutzen, ist es üblich, sie mit Steinsägen in handliche Platten oder Stangen zu sägen, bevor man sie mit Spitzhammer und Amboss weiter spaltet. Das Sägen sorgt für plane Oberflächen und gleichmäßige Dicken, was die anschließende Spaltung in gleichmäßige Tesserae stark vereinfacht und den Verschnitt reduziert.

Smalti: Herstellung des farbigen Mosaikglases in Kuchen und Stangen

Die traditionellen Materialien für opake Glasmosaike werden in der Fachsprache als Smalti (Plural) bezeichnet. Das Wort leitet sich vom italienischen Smalto (Singular) ab und bedeutet schlicht Schmelz oder Emaille. Die Smalti werden speziell für Mosaike gefertigt. Die farbige Glasmasse wird in großen, flachen Töpfen oder auf flachen Platten im Ofen geschmolzen. Das heiße, zähflüssige Glas wird dann mit großen Eisenwerkzeugen auf eine ebene Fläche (oft ein Steintisch) ausgegossen oder ausgebreitet und schnell abgekühlt. Durch dieses Verfahren entstehen relativ dicke (ca. 1-3 cm) Platten, die oft als Glaskuchen (Pizze) bezeichnet werden. Die Dicke der Glasplatten wird nicht auf ein gleiches Maß gebracht, sondern fällt unterschiedlich aus. Diese Varianz ist eine praktische Notwendigkeit, denn die unterschiedlichen Gussplatten derselben Glasmasse bilden eine Charge, deren Dickenmaße den Setzern eine Auswahl passender Tesserae-Stärken für eine effiziente Verlegung bietet. Von diesen Platten werden sodann, wie Theophilus Presbyter berichtet, einzelne Stangen (Pane) mit heißen Eisen abgesprengt. Diese Stangen sind es, die man dann am Mosaik-Amboss (Tagliolo) und mit dem Spitzhammer (Martellina) weiter in die kleinen, rechteckigen Mosaiksteine (Tesserae) spaltet. Was aufgrund der inneren Spannung und der Struktur des Glases relativ gut funktioniert.
(Abgrenzung zum Pigment Smalte: Es ist wichtig, die Mosaiksteine Smalti von dem eng verwandten Pigment Smalte abzugrenzen: Das Pigment ist vermahlenes blaues Kobaltglas, ein historischer Farbstoff in der Malerei. Es handelt sich um dasselbe kobalthaltige Glas, das für blaue Smalti im Mosaik verwendet wird, nur fein vermahlen und als Pulver Ölfarben oder Fresken beigemischt.)

Goldglas (Goldtesserae)

Goldmosaiksteinchen gehörten zu den kostbarsten Materialien der Wand- und Gewölbemosaike, besonders in der frühchristlichen und byzantinischen Kunst. Sie bestehen aus einem „Sandwich-Aufbau“: Eine hauchdünne Schicht Blattgold (seltener auch Silber) wird auf eine etwa 5-10 mm starke, erkaltete Glasplatte aufgelegt. Die gleichmäßige Anhaftung entsteht zunächst durch eine Spur destillierten Wassers, das zwischen Gold und Glas verdunstet. Nach dem Trocknen wird eine nur 0,1-1 mm dünne Glasblase (Capa) aufgelegt. Sie schließt das Edelmetall ein und schützt es dauerhaft vor Abrieb und chemischen Einflüssen.
Im Ofen wird das Ganze so weit erhitzt, dass das Glas an der Oberfläche erweicht und sich die beiden Glasschichten miteinander verbinden, ohne den Schmelzpunkt des Metalls zu erreichen (bei Gold etwa 1063 °C, bei Silber rund 960 °C). Dabei wird das Gold eingebettet. Dieser Vorgang ist äußerst empfindlich: Schon kleinste Verunreinigungen können Gasblasen bilden, und selbst geringfügige Spannungsunterschiede beim Abkühlen führen leicht dazu, dass sich die Capa wieder ablöst.
Nach dem vollständigen Erkalten kann die Scheibe in einzelne Tesserae zerteilt werden. Das Ergebnis ist ein Mosaikstein von unvergleichlicher Strahlkraft.

Porzellan und genormte Mosaikfliesen: Moderne Materialvielfalt

Moderne und postmoderne Strömungen haben die Materialpalette erweitert. Besonders in der Technik des Trencadís, die durch Künstler wie Antoni Gaudí populär wurde, kommen zerbrochene Keramik-, Fliesen- oder Porzellanstücke zum Einsatz. Diese Materialien werden nicht speziell für Mosaike hergestellt, sondern stammen aus industrieller Fertigung.
Für Hobbyanwender stehen Glassteinchen, sogenannte Mosaikfliesen zur Verfügung. Es gibt sie quadratisch und rund, als Millefiori und in zahlreichen Farben. Doch stets sind ihre Oberflächen glatt, ihre Dicke gleichbleibend, und ihre Maße einheitlich. Damit unterscheiden sich die Werke grundlegend im Erscheinungsbild.
(Die quadratischen Mosaikfliesen sind in verschiedenen Maßen erhältlich, eines der üblichen Maße ist 2x2 cm. Das ist für die direkte Anwendung als Mosaikstein recht groß. Man kommt der klassischen Vorstellung von einem Mosaik näher, wenn man die quadratische Fläche durch zwei schräge Bruchlinien so spaltet, dass vier Trapeze entstehen: Solche unregelmäßigen Formen ermöglichen eine flexiblere Gestaltung organischer Konturen.)

Präzisionsarbeit: Spaltung, Formgebung und Sortierung der Materialien

Die Qualität eines Mosaiks entsteht bereits bei der Vorbereitung der Materialien. Die Stangen oder Platten aus Naturstein und Smalti werden zunächst sorgfältig nach Farben sortiert. Das Spalten erfolgt auf dem Tagliolo, einem Amboss mit scharfer Stahlkante, mit Hilfe der Martellina, eines beidseitig geschliffenen Hammers. Das Werkstück wird so auf das Tagliolo gelegt, dass die gewünschte Bruchlinie genau unter der Schlagkante liegt. Der Hammer fällt mit seinem Eigengewicht, ein kräftiger Schlag ist nicht nötig und würde nur riskieren, die Werkzeugkanten zu beschädigen. Die Arbeit erfordert ein ruhiges Auge und geübte Hand. Bei Naturstein müssen die kristalline Struktur und die natürliche Spaltrichtung beachtet werden, um kontrollierte, saubere Brüche zu erzielen. Smalti hingegen spalten sich aufgrund ihrer glasigen Beschaffenheit leichter und mit spröderem Klang. Durch diese Technik entstehen die klassischen, würfelförmigen Tesserae ebenso wie bewusst unregelmäßige Formen, die für lebendige Oberflächen oder besondere Lichteffekte eingesetzt werden.

Das Tagliolo: Der Amboss

Das Tagliolo ist der Amboss des Mosaizisten. Es besitzt eine scharfe Eisenkante, die fest in einem Holzklotz verankert ist. Der Amboss besteht aus zähem, etwas weicherem Eisen, damit er die Stoßenergie der Schläge aufnehmen kann, ohne zu splittern.
In vielen Werkstätten wird kein spezielles Tagliolo geschmiedet, sondern ein gewöhnlicher Meißel mit breiter Schneide zweckentfremdet. Er wird mit der Schneide nach oben in einen Block aus Beton eingegossen und so fixiert, dass nur die Arbeitskante frei bleibt.

Die Martellina: Der Mosaikhammer

Die Martellina ist ein schwerer, beidseitig geschliffener Hammer mit kurzem Griff. Sie wird auf dem Tagliolo geführt und ist das zentrale Werkzeug beim Spalten der Tesserae. Für das Spalten von Smalti bestand die Klinge früher aus gehärtetem Kohlenstoffstahl. Durch das Härten entsteht eine extrem scharfe, jedoch spröde Schneide, die das glasige Material präzise trennt. Diese Kanten mussten regelmäßig nachgeschliffen werden. Beim Spalten von Marmor und Naturstein bewährte sich dagegen eine zähere, weniger spröde Klinge. Sie konnte die Stoßkräfte des Steins aufnehmen, ohne auszubrechen. Hier wurde der Stahl bewusst weniger stark gehärtet.
Seit den 1920er Jahren kommen Hartmetallklingen aus Wolframcarbid für Glas und Werkzeugstahllegierungen für Stein auf. Letztere enthalten Zusätze wie Chrom, Molybdän, Vanadium und Wolfram, die die Härte und Verschleißfestigkeit deutlich erhöhen.

Die klassischen Verlegemuster (Opera)

Die Anordnung der Mosaiksteine folgt einer über Jahrhunderte entwickelten Ordnung, die das Erscheinungsbild eines Mosaiks wesentlich prägt. Diese Ordnung nennt man opus. Jeder Typus bezeichnet ein bestimmtes System der Steinsetzung, das Bewegung, Licht und Struktur des Bildes bestimmt.
Im Werkstattalltag sind diese Verlegearten keine starren Regeln, sondern praktische Werkzeuge: Sie geben dem Handwerker eine Richtung, nach der sich die Steinreihen fügen.

opus circumactum

die Fläche wird in fächerartige Bögen gegliedert. Ein neuzeitlicher Begriff: Die Antike hat diese Technik zwar angewendet, aber nicht so genannt.

opus regulatum

Streng in Rastern gelegt. Das können Sechsecke (Wabenmuster), Rauten oder Rechtecke sein. Ein neuzeitlicher Begriff: Die Antike hat diese Technik zwar angewendet, aber nicht so genannt.

opus sectile

Die einzelnen Stücke sind so formgeschnitten, dass ihre Form direkt das Motiv ergibt.

opus vermiculatum

Die Steinchen schmiegen sich in einer Reihe oder mehreren eng an eine Kontur an.

opus tessellatum

heute: Verlegung geraden Linien. Jede Zeile gleicht eventuelle Höhenunterschiede der Zeile darunter aus, so dass das Gesamtbild nicht aus der regelmäßigen Ordnung gerät. In der Antike war dies der Standardbegriff für Mosaiken allgemein.

opus musivum

ausgehend von der Konturlinie wird die gesamte Fläche gefüllt. Jede Reihe orientiert sich an der Konturlinie der vorherigen.

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Die Legearbeit und das Andamento

Der Begriff Andamento bezeichnet die rhythmische Führung der Mosaiksteinreihen, die entscheidend für die Dynamik und malerische Wirkung des Bildes ist.

zuerst für einen Grundstil entscheiden

Am Anfang steht die Entscheidung für den Grundstil, also für eines der opus-Systeme. Diese Wahl trifft der Mosaizist für jeden größeren Bildabschnitt. Innerhalb dieser Zone bleibt das gewählte System verbindlich, damit die Fläche in sich ruhig und geschlossen wirkt. Erst beim Übergang zu einer neuen Zone kann der Stil wechseln -etwa vom ruhigen opus tessellatum im Hintergrund zum lebendigeren opus vermiculatum in den Figurenpartien.

die Vorzeichnung an die Wand übertragen

Der Mosaizist arbeitet auf Grundlage eines Kartons, also einer Entwurfszeichnung des Bildkünstlers, die verkleinert oder in Originalgröße vorliegt. Diese wird als Orientierung auf die vorbereitete Putzschicht übertragen. Anschließend wird, ausgehend von den Konturlinien, der Tagesabschnitt mit dem Intonaco (der Setzschicht) verputzt.
Liegen innerhalb dieses Abschnitts Konturen, so werden sie mit einem Holzstäbchen in den frischen Putz eingeritzt, um als Setzhilfe zu dienen.

Konturen bestimmen Arbeitsabschnitte

Die Arbeit beginnt mit dem Setzen der Kontursteine. Diese Linien können als klare graphische Trennung in einer Kontrastfarbe ausgeführt sein, etwa als schwarze Linie zwischen zwei ähnlichen Farbtönen. Oder sie markieren lediglich den Übergang zwischen verschiedenfarbigen Zonen. Je nach Situation wird entweder direkt auf der Linie oder an ihren beiden Seiten gearbeitet.

Wie man passende Steine auswählt

Sind die Steine vorbereitet und sortiert, beginnt die eigentliche Legearbeit. Jetzt entscheidet die Auswahl jedes einzelnen Stücks über Rhythmus, Fugenbild und Ausdruck. Jede Bildzone hat ihr eigenes Formatgefüge. Große Tesserae von 10 bis 20 mm werden für weitläufige Flächen oder Hintergründe verwendet, wo weniger Detailtiefe erforderlich ist. Kleine Formate von 1 bis 4 mm dienen feinen Partien wie Gesichtern und Händen (dem sogenannten Inkarnat) oder Ornamentdetails. So entsteht der Eindruck, als würde mit unterschiedlich breiten Pinseln gemalt.
Die per Hand gespaltenen, würfelförmigen Steine sind immer leicht unregelmäßig, und gerade darin liegt ihr Vorteil. Jeder lässt sich auf sechs Flächen drehen; für jede Linie findet sich die passende Form. Beschreibt die Kontur eine Rundung, fügen sich trapezförmige Stücke (so wie der Schlusstein eines gemauerten Bogens) besser ein als rechtwinklige.

auf die Fugen achten

Für den modernen Betrachter ist entscheidend, dass die Fugenbreite gleichmäßig bleibt. Die Fugenbreite ist das Maß, an dem sich die Qualität der Setzarbeit zeigt.
Die historische Praxis wich davon jedoch ab: Beim Setzen der Steine innerhalb einer Reihe (Andamento) wurden die Tesserae oft so dicht aneinander gesetzt, dass sie sich berühren und kaum eine Fuge sichtbar ist. Die eigentlichen Fugen zeigen sich primär zwischen den Reihen, um deren Linienführung zu unterstreichen. Nur dort, wo das Muster schnelle Richtungswechsel oder spitze Winkel erfordert, an kritischen Übergängen und engen Kurven, ließ der Mosaizist größere Mörtelflächen frei. Diese breiteren Zwischenräume dienten dazu, die Dynamik der Form zu betonen und das Lichtspiel des Mosaiks zu optimieren.

welche Farbe wählt man?

Die Farbe jedes Steinchens ergibt sich aus der vorbereiteten Mischung. Ist eine Fläche nicht einfarbig, wurde ihr Materialbedarf vorab aus mehreren Tönen zusammengestellt. Beim Setzen greift man dann aus diesem Vorrat, ohne jeden Stein einzeln auf seine Nuance zu prüfen.

versetzt anlegen

Beim Anlegen eines Mosaiks deckt ein Stein der aktuellen Reihe stets die Fuge aus der vorigen Reihe ab. Das bedeutet, wir vermeiden es nach Möglichkeit, dass eine neue Fuge direkt in einer bereits bestehenden Fuge weiterläuft. (Außer im opus regulatum.) Wie bei den Ziegelsteinen einer stabilen Mauer werden die kleinen Mosaikwürfel immer versetzt zueinander gesetzt. Der Grund dafür ist optischer Natur: Eine lange, durchgehende Fugenlinie springt dem Betrachter sofort ins Blickfeld und lenkt unnötige Aufmerksamkeit auf sich. Durch das Versetzen der Steine brechen wir diese Linienführung auf. Das Ergebnis ist ein harmonischeres und ruhigeres Gesamtbild.

Reihen aufspalten (Sdoppiamento)

Man legt nicht ganz mechanisch eine Reihe an die andere. Da organische und natürliche Formen sich ständig verengen und verbreitern, muss der Mosaizist flexibel auf diese Formen reagieren. Man sorgt dafür, dass sich die Reihen je nach Form des Motivs teilen oder zusammenlaufen: Wenn sich eine Fläche verbreitert, wird hinter einen etwas größeren Stein eine neue Reihe eingefügt, indem zwei kleinere Steine übereinander gesetzt werden. Und schon laufen zwei Reihen nebeneinander weiter. Auf diese Weise kann die Bewegung der Steine der natürlichen Form des Bildes folgen, ohne dass unschöne Brüche entstehen.

das malerische Empfinden

Farbverläufe entstehen nicht Stein für Stein, sondern Linie für Linie. Innerhalb einer Legezeile bleibt die Farbe weitgehend konstant, und der Übergang erfolgt mit dem nächsten Linienzug. So bildet die Linienstruktur selbst die Abstufung von Licht und Schatten. Der Mosaizist denkt in Farbflächen, ähnlich wie ein digitales Bildprogramm eine Darstellung in Farbfelder zerlegt. Nur, dass hier jedes Feld von Hand gesetzt wird.

Der prüfende Blick aus der Distanz

Während der Arbeit kontrolliert der Mosaizist regelmäßig die Lesbarkeit des Motivs aus der Entfernung. Da die Konturen bereits festliegen, betrifft die Prüfung vor allem die Farbwirkung. Subtile Tonabstufungen, die aus der Nähe plastisch wirken, können aus größerer Distanz verschwimmen oder sich völlig auflösen. Erst mit Abstand zeigt sich, ob Licht, Farbe und Richtung der Fugen gemeinsam das beabsichtigte Bild ergeben.

unterschiedliche Verlegetechniken

Die Direkte Methode: Antike Kunst

Die traditionelle Methode zur Erstellung von Mosaiken war die direkte Methode, bei der die Tesserae direkt in den feuchten Mörtel gesetzt werden. Der erste Schritt ist also, die bereits im Arriccio Fine verputzte Fläche des kommenden Tageswerkes abzuschätzen, und mit dem Spachtel eine dünne Schicht des Intonaco-Putzes aufzutragen. Nachdem die Konturen und Hilfslinien des Motivs durch Ritzungen auf den feuchten Intonaco markiert wurden, erfolgt das Setzen der Tesserae. Der Mosaizist hält mehrere Steinchen in der Hand und muss eines wählen, das in Form und Dimension am besten in die zu setzende Stelle passt. Nur zur Not wird er noch einmal zu Hammer und Amboss zurückgehen und nachbessern. Auf einem Gerüst stehend, und stellenweise über Kopf arbeitend, muss er die Steine nutzen, die in seinem Beutel stecken. Ist die Wahl getroffen, steckt er den Mosaikstein in den Putz, und drängt ihn mit einer wackelnden Bewegung so tief hinein, bis die Oberflächen von Mörtel und Stein auf derselben Ebene liegen. Bei glänzenden Smalten und Goldgläsern achtet der Mosaizist auf die Neigung der Steine, und erzeugt durch die Lichtreflexionen einen lebendigen, flimmernden Effekt. Vor dem Abbinden des Mörtels werden die gesetzten Tesserae mit einem Holzklötzchen oder Lineal ausgerichtet und ihre Oberfläche leicht geglättet, um große Höhenunterschiede zu vermeiden. Sobald der Putz abgebunden ist, erfolgt die Reinigung, bei der Mörtelreste vorsichtig von der Oberfläche der Steine entfernt werden. Eine separate Verfugung ist nicht nötig, denn der Intonaco quillt hervor und umhüllt die Steinchen.
Belegt ist auch die großflächige Abschleifung der Fläche bei Bodenmosaiken aus marmornen Steinchen. Bimssteine als Schleifmittel sorgen für eine ebenmäßige Fläche.

Die Indirekte Methode: seit dem Barock

Im Barock des 17. und 18. Jahrhunderts entwickelte sich eine neue Arbeitsweise, die den Schwerpunkt von der Baustelle in die Werkstatt verlegte. Sie ermöglichte eine rationellere Fertigung großer Mosaike und eine sorgfältige Vorbereitung der einzelnen Bildfelder. Der Preis dafür war der Verlust der unmittelbaren Kontrolle über die Neigung der Steine, die bei der direkten Methode für den lebendigen Glanz so entscheidend ist.
Bei dieser Technik werden die Tesserae spiegelverkehrt auf einen Träger aus Papier oder Stoff gelegt und mit einem wasserlöslichen Klebstoff fixiert. Bewährt hat sich ein kräftiges Packpapier von etwa 160 g. Stärkeres löst sich beim Ablösen nur schichtenweise, schwächeres trägt das Gewicht der Steine nicht. Heute verwendet man meist wasserlöslichen Weißkleber; früher diente Mehlkleister (Stärkekleister) als Bindemittel. Reiner, gekochter Mehlkleister aus Mehl und Wasser lässt sich nachträglich durch Einweichen wieder auflösen. Historische Rezepte enthielten gelegentlich Zusätze wie Essig gegen Schimmel oder Glycerin zur Erhöhung der Geschmeidigkeit.
Das Mosaik wird also mit der späteren Sichtseite nach unten gearbeitet. Diese Methode erlaubt es, das Motiv in der Werkstatt unabhängig von Zeit und Witterung sorgfältig vorzubereiten. Die Materialien bleiben klassisch: Smalten und Marmor. Doch die Arbeit verlagert sich vom Baugerüst auf den Werktisch. Ist ein Abschnitt fertiggestellt, wird er zur Baustelle gebracht und mit der Papierseite nach außen in den frischen Mörtel gedrückt. Die Mosaikteile werden mit einem speziellen Klöppel, dem sogenannten „Batti“ geschlagen, bis der Setzmörtel alle Zwischenräume zwischen den Steinchen durchdrungen hat. Der Mörtel soll die Tesserae sicher fassen, darf aber nicht mehr als zwei Drittel in die Fugen quellen, damit Raum für den späteren Fugenmörtel bleibt.
Nach dem Abbinden wird das Papier angefeuchtet und vorsichtig abgezogen. Das fertige Mosaik kommt zum Vorschein. Dabei können sich einzelne Steine lösen, wenn sie keinen ausreichenden Kontakt zum Mörtel hatten. Solche Fehlstellen müssen mit frischem Intonaco ausgebessert werden, denn der Fugenmörtel besitzt keine haftende Wirkung und könnte die Tesserae nicht dauerhaft halten.
Vor dem Verfugen wird die Oberfläche gereinigt und die Fugen mit einer Bürste von losen Mörtelresten befreit. Dann wird der Fugenmörtel mit Schwamm oder behandschuhter Hand eingearbeitet und in alle Richtungen verrieben. Überschüsse zieht man mit der Handkante ab; auf größeren Flächen verwendet man Ausfugbrett und Gummilippe. Abschließend wird die Oberfläche mit einem feuchten Schwamm oder Papiertuch gereinigt: mit der nötigen Vorsicht, damit die noch plastische Fugenmasse nicht versehentlich herausgewischt wird.

Das Wendesystem: 19. Jahrhundert

Diese Methode ist präziser als die indirekte Methode und erlaubt einen größeren Detailreichtum. In einem Holzkasten, der die Maße der fertigen Arbeit oder eines ihrer Abschnitte hat und dessen Boden wasserdicht gemacht wurde, wird eine Schicht aus Ton verteilt, der mit feuchtem Ziegelmehl vermischt ist. Auf dieser Bodenschicht wird die vorbereitende Zeichnung aufgetragen und die Tesserae werden direkt darin platziert. Der entscheidende Unterschied: Das Motiv ist während der gesamten Erstellung sichtbar, sodass der Künstler die ästhetische Wirkung direkt kontrollieren kann. Sobald das Mosaik fertiggestellt ist, wird es mit feinen Gazeschichten bedeckt, die gegebenenfalls mit Hanfgewebe verstärkt werden und die mit Mehl- oder Stärkekleber fixiert werden. Sobald die Gazeschichten trocken sind, kann das Mosaik umgedreht, aus dem Kasten gelöst und der Ton entfernt werden, wobei die Tesserae sorgfältig gereinigt werden. Das Mosaik wird dann auf die Trägerwand übertragen, wie es auch bei der indirekten Methode der Fall ist.

Die Methode auf Netzbasis: Moderne

Bei einer modernen Weiterentwicklung der Technik, die oft als „doppelte direkte Methode“ bezeichnet wird, arbeitet der Mosaizist auf ein Trägernetz aus Glasfaser. Die Tesserae werden mit der Oberseite nach oben sichtbar auf das Netz gelegt und mit einem synthetischen Klebstoff befestigt. Die Vorzeichnung kann man direkt auf die Gaze malen. Eine Plastikfolie unter der Mosaikarbeit sorgt dafür, dass das entstehende Werk nicht auf dem Tisch festklebt. Man greift und setzt die Steinchen mit der Pinzette, um nicht mit den Fingern in Kontakt mit dem Klebstoff zu kommen. (Nimm nicht zu viel Kleber: maximal ein Viertel der Fläche soll mit Kleber benetzt sein. Denn später beim Einbetten in den Mörtel, soll der Putz durch das Netz an die Rückseite des Steins gelangen, um ihn gut zu fixieren.) Sobald das Werk fertig ist, kann es in handliche Teilstücke zerlegt und an den Bestimmungsort verschickt werden. Vor Ort wird das Netz dann direkt auf den vorbereiteten, frischen Putz gedrückt. Nachdem der Mörtel ausgehärtet ist und die Steinchen fest eingebettet sind, bleibt das Trägernetz unsichtbar hinter dem Mosaik zurück.
Der Mosaizist bezieht seine Materialien heute in der Regel aus dem Fachhandel. Glassteinchen, sogenannte Mosaikfliesen, werden industriell hergestellt und weisen ein festes Maß sowie eine gleichmäßige Dicke auf. Diese Vereinheitlichung erleichtert die Planung und Verarbeitung, führt aber auch zu einem anderen Erscheinungsbild: Der Fugenverlauf tritt stärker hervor, die Oberfläche wirkt berechenbarer als bei handgespaltenen Mosaikteilchen. Moderne Bindemittel wie Zementmörtel oder Epoxidharze sind weniger empfindlich gegenüber Witterungseinflüssen, aber kaum reversibel.

Kommentare

Klassische Mosaikkunst lebt von unregelmäßigen, handgespaltenen Smalti und der feuchten Einbettung (Direkte Methode). Im DIY-Bereich dominieren heutzutage oft geklebte Keramikscherben und genormte Steine.
Wo siehst Du die größten Kompromisse bei der Ästhetik oder Haltbarkeit?
Und: Welchen Mosaik-Grundsatz gibst Du einem Anfänger als wichtigsten Tipp mit, um sein Werk zu veredeln?

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