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Eisen aufkohlen: eine historische Technik zur Verbesserung von Stahl
Historische Herausforderung
Im Mittelalter und der Antike war Stahl mit kontrollierten Kohlenstoffgehalten schwierig herzustellen. Erst im 19. Jahrhundert, mit der Einführung von Hochöfen und moderner metallurgischer Technik, wurde es möglich, Stahl in gleichbleibender Qualität industriell zu produzieren. Die Herstellung von Stahl war problematisch, weil Rennöfen Eisen nur erweichen oder in kleinen Mengen schmelzen konnten. Temperaturen über 1200 °C, die für das Schmelzen von Stahl erforderlich sind, waren schwer zu erreichen. Der Prozess blieb ein Festkörperverfahren, bei dem Eisen und Kohlenstoff ungleichmäßig reagierten. Probleme wie schwankende Temperaturen, unkontrollierte Kohlenstoffzufuhr und Verunreinigungen führten zu inhomogenem Material. Manche Bereiche eines Eisenklumpens waren kohlenstoffarm (Weicheisen), während andere Zonen zu viel Kohlenstoff aufnahmen (Gusseisen). Hinzu kamen Reste von Schlacke (z. B. Siliziumoxid), die das Material schwächten. Elemente wie Schwefel und Phosphor machten den Stahl oft spröde oder unbrauchbar. Durch Schmiedeverfahren, etwa das Falten und Verschweißen (wie bei Damaszenerstahl), versuchten Handwerker, die Eigenschaften auszugleichen. Dennoch blieb der Prozess der Stahlherstellung bis ins 19. Jahrhundert ineffizient und unzuverlässig. (siehe: Eisensorten ↗)
Warum wird Eisen aufgekohlt?
Das Aufkohlen ist ein Verfahren, bei dem Kohlenstoff in das Eisen eingebracht wird, um dessen Härte und Festigkeit zu erhöhen. Reines Eisen ist weich und unzureichend für Schneidwerkzeuge, Waffen oder hochbelastete Bauteile wie Zahnräder. Beim Aufkohlen diffundiert Kohlenstoff in die Oberfläche des Werkstücks (ca. 1–2 mm tief), während der Kern kohlenstoffarm bleibt. Dadurch entsteht eine harte, widerstandsfähige Oberfläche, die dennoch durch den zähen Kern vor Brüchen geschützt ist. Das Verfahren erhöht die Bereitschaft zum Härten. Das Härten selbst ist ein separater Prozess, bei dem das Metall erhitzt und abschreckt wird.
Geschichtliche Einordnung
Das Aufkohlen ist seit der Antike bekannt. Bereits Plinius der Ältere beschrieb in seiner Naturalis Historia Verfahren zur Bearbeitung von Eisen, bei denen vermutlich Kohlenstoffquellen genutzt wurden. Archäologische Funde, etwa fränkische Klingen aus dem 7. Jahrhundert, zeigen unterschiedliche Kohlenstoffgehalte, die auf gezielte Wärmebehandlungen hinweisen.
Aufkohlung vor oder nach dem Schmieden?
Rohes Eisen wurde oft vor der Weiterverarbeitung aufgekohlt, um eine gute Grundlage für Klingen oder Werkzeuge zu schaffen. Werkzeuge oder Waffen (z. B. Schwerter) konnten gezielt an bestimmten Stellen aufgekohlt werden. Ein typisches Beispiel ist die „Schalenhärtung“ von Klingen, bei der nur der äußere Bereich kohlenstoffreich gehärtet wird, während der Kern zäh bleibt.
Ablauf
Das Werkstück wird in feines Lederkohlepulver eingebettet. Das Ganze wird luftdicht verschlossen, z. B. mit einer Lehmschicht oder in einem geschlossenen Ofen. Ziel ist es, Sauerstoff fernzuhalten, um Oxidation zu vermeiden. Der Ofen wird gleichmäßig auf eine hohe Temperatur von etwa 900–1000°C gebracht, sodass das Eisen die Glutfarbe „Hellrot“ bis „Orange“ hat. Die Dauer variiert je nach gewünschtem Kohlenstoffgehalt und Dicke des Werkstücks. Typisch sind mehrere Stunden bis Tage. Nach dem langen Erhitzen beim Aufkohlen wird das Werkstück üblicherweise langsam abgekühlt, besonders bei großen oder komplexen Stücken. Die lange Hochtemperaturphase kann innere Spannungen im Material erzeugen. Ein langsames Abkühlen sorgt dafür, dass diese Spannungen reduziert werden, wodurch das Werkstück formstabil bleibt und nicht reißt oder sich verzieht. Schnelles Abschrecken nach der langen Glühphase könnte das Werkstück spröde machen, insbesondere wenn es ungleichmäßig gekühlt wird.
Die Kohlenstoffquelle kann variieren
Holzkohle wurde häufig in der Metallurgie verwendet und spielte eine zentrale Rolle bei der Erzeugung und Verarbeitung von Metallen. Ob sie jedoch zum Aufkohlen geeignet ist, hängt stark vom Gehalt an unerwünschten Stoffen wie Asche, Schwefel oder anderen Verbindungen ab, die die Qualität des Stahls negativ beeinflussen können. Darum ist die Auswahl der richtigen Holzart entscheidend, aus der die Holzkohle gewonnen wurde, da verschiedene Hölzer unterschiedliche Eigenschaften haben. Harthölzer wie Buche oder Eiche liefern in der Regel hochwertige Holzkohle mit einem hohen Kohlenstoffgehalt und wenig Rückständen, während Nadelhölzer oft zu Holzkohle mit höherem Harz- und Ascheanteil führen, was das Ergebnis beeinträchtigen kann.
Lederkohle aus sauberem, pflanzlich gegerbtem Leder hat einen hohen Anteil an reinem Kohlenstoff und enthält im Vergleich zu Holzkohle oder anderen Materialien weniger unerwünschte Bestandteile wie Schwefel oder Phosphor. Lederkohle gibt Kohlenstoff gleichmäßiger ab als Holzkohle. Das führt zu einer kontrollierteren Aufkohlung, bei der der Kohlenstoff in die Stahloberfläche eindiffundiert. So konnte eine härtere und gleichmäßigere Oberfläche erzielt werden. Im Vergleich zu Holzkohle hinterlässt Lederkohle weniger Asche. Dies minimiert Rückstände auf dem Werkstück, die die Qualität des aufgekohlten Stahls beeinträchtigen könnten. Dahinter steckt jahrhundertelange Erfahrung. Schmiede und Metallurgen bevorzugten Materialien, die verlässliche Ergebnisse lieferten. Lederkohle wurde in kleinen Schmiedewerkstätten gezielt hergestellt. Lederreste aus der Schuh- oder Kleidungsherstellung waren ein Abfallprodukt, das effizient weiterverwendet werden konnte.
Knochenkohle liefert nicht nur Kohlenstoff, sondern auch Phosphor. Der Phosphorgehalt aus den mineralischen Bestandteilen der Knochen hat In geringen Mengen positive Auswirkungen auf die Härte und Verschleißfestigkeit von Eisen. Ein zu hoher Phosphorgehalt führt allerdings zu sprödem Eisen oder Stahl, da Phosphor die Kornstruktur verändert und Risse fördert, insbesondere bei niedrigen Temperaturen (Kaltbrüchigkeit). Knochenkohle wurde in Regionen verwendet, in denen hochwertigere Kohlenstoffe wie Holzkohle oder Lederkohle weniger verfügbar waren. In der modernen Metallurgie wird Phosphor im Stahl meist als Verunreinigung betrachtet und möglichst entfernt.
Moderne Verfahren
Die geschichtliche Verfahrensweise mit festem Kohlepulver genügt den heutigen Standards nicht. Heute wird die Zufuhr des Kohlenstoffs durch flüssige oder gasförmige Medien gewährleistet und mit Unterdruck durch Vakuumpunpen gearbeitet.