
Schreibfedern aus Gänsefedern herstellen
Vom Schilfrohr zur Feder:
Die Gänsefeder begann erst im 4. bis 6. Jahrhundert n.u.Z. an Bedeutung
zu gewinnen und wurde allmählich zum vorherrschenden Schreibinstrument
im Mittelalter. Es gibt Hinweise, dass die Gänsefeder zwar schon
im 2. Jahrhundert n.u.Z. bekannt war, jedoch erst später weit
verbreitet wurde, da ihre Flexibilität und Haltbarkeit besser für
das Schreiben auf Pergament geeignet waren.
Zuvor war die Rohrfeder aus Schilfrohr das Schreibinstrument der
Antike gewesen.
Strauß, Schwan, Gans oder Rabe?
Strauß- und Schwanenfedern gelten als außergewöhnlich gut geeignet für das Schreiben und Zeichnen, insbesondere aufgrund ihrer Größe, Stabilität und der Fähigkeit, eine präzise Spitze zu formen. Sie waren jedoch sehr teuer und in Europa eher selten verfügbar. Der Einsatz solcher Federn war eher auf wohlhabendere Schichten oder besondere künstlerische Zwecke beschränkt. Gänsefedern waren die gebräuchlichsten Schreibfedern im Mittelalter und der Frühen Neuzeit, da Gänse weit verbreitet und ihre Federn leicht verfügbar waren. Sie eigneten sich für alltägliche Schreibarbeiten und wurden sowohl von Schreibern als auch von Künstlern genutzt. Rabenfedern wurden für filigranes Arbeiten, Zeichnen oder Feinschreiben genutzt. Es gibt Hinweise, dass kleinere und dünnere Federn sich besonders für feinere Schriften eigneten, etwa bei Miniaturen oder kalligrafischen Details.
Die richtigen Federn aussuchen:
Ausgangsmaterial für Schreibfedern sind die großen Flügelfedern. Im Mittelalter war die Gans laut archäologischen Knochenfunden das zweithäufigste Wirtschaftsgeflügel. Federn aus der Mauser sind minderwertig, da sie weniger robust sind. Hochwertige Schreibfedern wurden von geschlachteten Vögeln genommen. Die fünf äußersten Schwungfedern jedes Flügels gelten als besonders geeignet, da sie groß, stabil und robust sind. Innerhalb dieser Auswahl sind die zweite und dritte Schwungfeder ideal, da sie besonders symmetrisch und gleichmäßig gebogen sind. Für sehr feine Arbeiten oder filigrane Schrift wurden gelegentlich kleinere Federn genutzt, etwa aus dem Schwanzgefieder. Wegen der natürlichen Krümmung liegen die Federn des linken Flügels bei Rechtshändern besser in der Hand, Linkshänder bevorzugen die Federn des rechten Flügels. Die Krümmung sorgt dafür, dass die Feder beim Schreiben in einem angenehmeren Winkel liegt und weniger nach oben kippt. Gut verkäufliche Federkiele sollten klar und durchscheinend sein, und keine Flecken haben. Dies war nicht nur eine optische, sondern auch eine praktische Anforderung: Flecken oder Trübungen könnten auf Schwächen im Material hinweisen, wodurch die Feder schneller brechen oder splittern könnte.
Entfernen der Fahnen:


Kürzen des Kiels:
Das Kürzen des Kiels auf die richtige Länge macht die Feder handlich. Typischerweise wurde der Kiel auf Stiftlänge (etwa 15–20 cm) gekürzt, je nach Präferenz des Schreibers. Anschließend schabt man die Oberfläche des Kiels mit einer Klinge ab. Das Abschaben glättet nicht nur die Oberfläche, sondern entfernt auch mögliche Splitter und Unebenheiten, die beim Schreiben die Finger verletzen könnten. Zudem wird dadurch die Oberfläche besser für die Handhabung vorbereitet und angenehmer anzufassen.
Härten:
Das Härten des Kiels dient dazu, das Fett aus dem Material zu entfernen und die Struktur des Hornmaterials zu verändern. Dadurch wird der Kiel steifer und widerstandsfähiger gegen die mechanische Beanspruchung beim Schreiben. Ohne diesen Schritt bleibt die Spitze zu weich, was dazu führen kann, dass sie sich beim Schreiben aufbiegt oder ausfranst.
Es gibt verschiedene Methoden, um den Kiel durch Hitze zu härten:
- Reibung mit Löschpapier: Eine schnelle, aber weniger hochwertige Methode ist, den Kiel mit mehrfach gefaltetem Löschpapier abzureiben und durch Reibung zu erhitzen. Diese Technik kann bereits ausreichen, um den Kiel zu härten und fettfrei zu machen, liefert jedoch nicht immer optimale Ergebnisse.
- Erhitzen über glühenden Kohlen: Diese Methode war früher gebräuchlich, birgt jedoch das Risiko, dass die Temperatur schwer zu kontrollieren ist. Überhitzung macht den Kiel spröde und unbrauchbar.
- Heiße Asche: Wichtig war, Kohlenreste sorgfältig auszusieben, da diese punktuelle Überhitzung verursachen konnten. Die Asche sollte gleichmäßig temperiert sein, idealerweise bei etwa 200 °C.
- Härten im heißen Sand: Die sicherste und gleichmäßigste Methode ist die Nutzung von heißem, trockenem Sand. In der modernen Küche kann man Sand in einer feuerfesten Form etwa 15 Minuten lang bei 200 °C im Backofen erhitzen. Der Kiel wird anschließend in den heißen Sand gesteckt und vorsichtig gedreht, so dass die Hitze gleichmäßig auf die Spitze verteilt wird. Dies verhindert, dass das Material spröde wird.
- Härten durch Wasser- und Sandbad: Eine Variante empfiehlt, den Kiel in Wasser einzuweichen bis er weiß geworden ist. Dann wird er in den heißen Sand gesteckt. Die Hitze soll den Kiel zwar zischen, aber nicht reißen lassen. Die Behandlung ist beendet, sobald der Kiel an der Spitze transparent ist.
Ziehen:
Direkt nach dem Härten wird der Kiel durch einen weiteren Arbeitsschritt vorbereitet, um ihn glatt und schreibfähig zu machen. Der noch heiße Kiel wird mit einem wollenen Lappen festgehalten, während man mit dem Rücken eines breiten Messers von der Spitze aus aufwärts entlang der Oberseite fährt. Durch diesen Vorgang löst sich die äußerste Häutchen-Schicht des Kiels ab, und eine durchsichtige Strieme entsteht. Da der Kiel durch die Wärme flexibel ist, kann er unter dem Druck des Messers zu stark abgeflacht werden. In diesem Fall wird er vorsichtig in seine ursprüngliche runde Form zurückgedrückt. Das Ziehen des Kiels erfordert Übung: Zu viel Druck kann das Material beschädigen, während zu wenig Druck dazu führt, dass nicht alle unerwünschten Schichten entfernt werden. Für eine besonders robuste Spitze kann der Kiel nach dem Abkühlen ein zweites Mal gezogen werden, um die Oberfläche weiter zu verfeinern.
Lagerung:
So vorbereitet bewahrt man seinen Vorrat an Federn auf, damit man beim Schreiben immer einige Federn griffbereit hat. Die gehärteten Federn sollten an einem trockenen Ort gelagert werden, da Feuchtigkeit den Härtungseffekt mindern und das Material spröde machen kann. Gekürzte und vorgehärtete Federn wurden häufig in vorbereiteten Bündeln aufbewahrt.
Erster Schnitt:
Denke Dir die Länge des Kiels von der Spitze bis zum Beginn der Federfahne in vier gleichmäßige Abschnitte geteilt. Zunächst entfernst du das erste Viertel des Kiels, da es zu weich ist und sich nicht für die Spitze eignet. Der Schnitt verläuft diagonal von der Bauchlinie auf Höhe von Hilfslinie 5 und endet an der Rückenlinie auf Höhe von Hilfslinie 3. Der Bauch ist die Seite der Feder, die nach unten zeigt, wenn du sie in die Hand nimmst. Diese Seite hat den Spalt zwischen den Federfahnen. Falls das innere Mark nicht von alleine herauskommt, kannst du es mit einer Pinzette entfernen. Wenn das auch nicht gelingt, schiebe es mit einem Stäbchen weiter in den Kiel hinein.
Einschlitzen:
Nun fehlt nur noch das Einschlitzen der Spitze, damit die Tinte gut gehalten wird. Lege dazu den Federkiel mit dem Rücken nach unten auf eine Unterlage, so dass die Spitze zu dir zeigt. Setze die Schneide des Kielmessers vorsichtig an der Rückenlinie des Kiels an. Wenn das Messer gut auf der Rückenlinie sitzt, halte es fest und hebe den Kiel leicht an, sodass sich der Spalt öffnet. Der Spalt sollte nur 3-4 mm lang sein. Achte darauf, dass er nicht länger wird, sonst taugt der Federkiel nicht zum Schreiben.
Feder zuspitzen:
Je ein weiterer Schnitt an den Seiten der Spitze korrigiert die Abschrägung, die zum Schreiben erforderlich ist und legt die Strichbreite fest. Jeder Schnitt verläuft bogenförmig von der Mitte der geschnittenen Seitenkante bis zur Spitze. Die Spitze bleibt auf einer Breite von einem Millimeter, oder sogar nur einem halben Millimeter stehen, der späteren Strichstärke der Feder. Nach diesem Arbeitsschritt muss sich der vorher geschnittene Spalt möglichst genau in der Mitte der beiden Bögen befinden.
Schärfen der Federkielspitze:
Auch wenn die Federspitze dünn wie Papier wirkt, besitzt sie dennoch eine gewisse Materialstärke. Die vordere Kante der Spitze wird daher leicht abgeschrägt. Um die Schneide zu formen, hobelst du mit dem Messer in Richtung der Spitze dünne Späne ab, sodass die Federkielspitze eine scharfe Kante erhält.
Begradigen oder Anschrägen der Federkielspitze:
Zum Schluss wird die Federkielspitze entlang ihrer Breite beschnitten. Für diesen Schnitt gibt es drei Varianten: einen geraden Schnitt sowie nach links oder rechts abgeschrägte Schnitte. Verschiedene Schreibstile wie auch unterschiedliche Griffweisen können eine angepasste Schräge erforderlich machen.
Abnutzung beim Schreiben:
Diese Schritte, vom ersten Schnitt bis zur Abschrägung, wiederholen sich während des gesamten Schreibprozesses. Von den vier Abschnitten des Federkiels hatten wir den ersten Teil an der Spitze bereits abgetrennt. Innerhalb des zweiten Teils erneuern wir die Schnitte immer wieder, sobald sich die Federspitze abgenutzt hat. Wenn wir den Federkiel immer weiter kürzen, bis wir schließlich in den dritten Teil kommen, wird der Spalt nicht mehr sauber gelingen, und die Tinte fließt ungleichmäßig. Dann ist es Zeit, den Federkiel zu ersetzen.
- Wolfgang Fugger: Ein nutzlich vnd wolgegrundt Formular Manncherley schöner schriefften Als Teutscher Lateinischer Griechischer vnnd Hebrayscher Buchstaben sampt vnterrichtung wie ein yede gebraucht vnd gelernt soll werden. 1553 [Digitalisat]