Artikel erstellt: 11.05.2025, zuletzt geändert am 20.10.2025, Aufrufe: 203

Rußtinte: Lampenruß mit Bindemittel

Günstig, lichtbeständig, leicht entfernbar

ägyptische Tintenschrift auf Papyrus
Abbildung: ägyptische Tintenschrift auf Papyrus.
Rußtinte zählt zu den ältesten Schreibmitteln der Menschheit. Tiefschwarz und dauerhaft lichtecht wurde sie bereits vor über 5000 Jahren in den frühen Hochkulturen Ägyptens und Chinas entwickelt. Ihre Herstellung ist denkbar einfach – das machte sie über Jahrtausende hinweg zu einem gebräuchlichen Mittel für Schrift und Zeichnung.
Allerdings haftet sie schlecht auf Pergament und lässt sich von dessen glatter Oberfläche relativ leicht abwischen. Für rechtlich oder administrativ bedeutsame Dokumente galt deshalb die Eisengallustinte, die sich regelrecht in das Trägermaterial einfrisst, als überlegen. Rußtinte dagegen blieb die preisgünstigere Alternative – für Skizzen, Vorzeichnungen oder Texte, deren dauerhafte Fixierung nicht erforderlich war.

Rußgewinnung

Qualitätskriterien – nicht jeder Ruß taugt zur Tinte

Ruß entsteht überall dort, wo organisches Material unvollständig verbrennt. Es liegt daher nahe, vorhandene Ablagerungen etwa von Rauchabzügen oder Gewölbedecken abzukratzen – doch für Tinten und Pigmente ist solcher schmutziger Ruß kaum geeignet. Er enthält meist neben Kohlenstoff auch kondensierte Teerstoffe, Aschepartikel und mitunter Wachsrückstände, wie sie etwa bei Kerzenruß auftreten. Solche Beimengungen können zu bräunlich-schwarzen Farbtönen führen und verleihen der Tinte einen dauerhaft rauchigen Geruch.
Für hochwertige Tinten wird Ruß gezielt hergestellt. Er soll möglichst tiefschwarz, matt und besonders feinkörnig sein. Eigenschaften, die sowohl den Farbeindruck als auch die Mischbarkeit entscheidend beeinflussen.

Rußgewinnung nach Plinius (1. Jahrhundert n.u.Z.)

Bereits im ersten Jahrhundert beschreibt Plinius der Ältere spezialisierte Werkstätten, in denen hochwertiger Ruß zur Herstellung von Pigmenten produziert wurde. Als Ausgangsstoff dienten harzreiche Hölzer (besonders das Holz der Kiefer), sowie Lampenöl. Der dabei entstehende Rauch wurde nicht über einen Abzug abgeführt, sondern in geschlossenen Räumen zur Niederschlagung gebracht. Diese gezielte Luftverknappung diente dazu, die Verbrennung unvollständig zu halten, um so die Ausbeute an reinem Kohlenstoff, dem eigentlichen Ruß, zu maximieren. Für die Arbeitskräfte, in der Regel Sklaven, bedeutete dies allerdings eine erhebliche Belastung durch Kohlenmonoxid.
Plinius erwähnt nicht, auf welchen Oberflächen sich der Ruß niederschlug: ob auf kalten Wänden, Tüchern oder Keramiken.
Er vermerkt jedoch, dass die am höchsten geschätzte schwarze Farbe aus dem Holz der Kiefer stamme. Gleichzeitig kritisiert er, dass betrügerische Händler minderwertige Tinten herstellten, indem sie gesammelten Ruß aus Öfen und öffentlichen Bädern beimischten.

Rußbrenner im Mittelalter

Im mittelalterlichen Europa war die Herstellung von Ruß ein spezialisierter Berufszweig. Die sogenannten Rußbrenner betrieben ihre Öfen meist tief in den Wäldern, oft gemeinsam mit Pechsiedern und Aschenbrennern. Als Brennstoff dienten stark harzhaltige Kiefernwurzeln, Harzreste sowie Rückstände aus der Pechgewinnung, etwa der sogenannte Pechkuchen.
In den Holzhütten errichteten sie steinerne Brennkammern mit engen Feuerräumen oder absichtlich verengten Schornsteinöffnungen. Diese technische Gestaltung sorgte für eine absichtlich unvollständige Verbrennung: durch Sauerstoffmangel im Ofen entstand tiefschwarzer Ruß. Im Gegensatz zu den antiken Werkstätten der Römer war hier eine räumliche Trennung von Feuerstelle und Aufenthaltsraum möglich, was den Arbeitern den Zugang zu Frischluft ermöglichte. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Der aufsteigende Rauch schlug sich in mehreren Fraktionen nieder: An den steinernen Wölbungen der Decke setzte sich der grobe, ölhaltige Ruß ab: eine minderwertige Qualität, die beispielsweise zur Herstellung von Stiefelwichse, Wagenschmiere oder billiger Farbe diente. Weiter oben im Dachstuhl waren Tücher aufgehängt. Auf ihnen sammelte sich der leichte, feinkörnige Ruß: die begehrteste Sorte, geeignet für Tusche, hochwertige Tinte und Druckerschwärze.

Lampenruß feinster Qualität aus Japan und China

In Ostasien, insbesondere in Japan und Teilen Chinas, entwickelte sich über Jahrhunderte eine hochspezialisierte Kunst der Rußgewinnung für besonders hochwertige Tusche. Diese Technik ist bis heute in einzelnen Manufakturen lebendig und daher gut dokumentiert.
In geschlossenen Werkstatträumen brennen Hunderte kleiner Öllampen. Ihre Flammen werden durch eng gedrehte Dochte bewusst klein gehalten, um besonders feine Rußpartikel zu erzeugen. Die Wahl des Lampenöls ist dabei ein zentraler Qualitätsfaktor: Während einfache Sorten mit Fett, Tran oder Rapsöl auskommen, galten Sesamöl, Kampferöl (aus Cinnamomum camphora) und Tungöl (aus den Samen von Vernicia fordii) als besonders edle Rohstoffe.
Aus einem Liter Öl lassen sich etwa 60 Gramm tiefschwarzer, matter Ruß gewinnen. Jede Lampe ist mit einem flachen Keramikdeckel aus porenfreiem Steingut abgedeckt. Auf dessen Unterseite sammelt sich der feine Ruß. Um Überhitzung und Oxidation zu vermeiden, werden die Deckel regelmäßig von einem Facharbeiter weitergedreht, spätestens alle zwanzig Minuten. Nach etwa zwei Stunden wird der Ruß mit einer Gänsefeder abgenommen. Ein erfahrener Arbeiter kann bis zu 200 Öllampen gleichzeitig betreuen.
Diese Herstellungsweise ist kein rein ostasiatisches Phänomen: Auch in Europa wurde hochwertiger Lampenruß auf ähnliche Weise erzeugt. In der Renaissance verwendete man dafür mit Vorliebe Glasplatten – eine perfekt glatte, porenfreie Oberfläche, auf der sich der Ruß gut absetzen konnte.

moderne Rußgewinnung

Seit dem 19. Jahrhundert verlagerte sich die Rußproduktion zunehmend in industrielle Maßstäbe. Statt Pflanzenölen oder Harzen dienten nun fossile Rohstoffe wie Erdgas und Steinkohlenteer als Ausgangsmaterial. In eigens dafür entwickelten Rußbrennverfahren lässt sich heute ein Kohlenstoffanteil von bis zu 99,5% erreichen: eine Reinheit, die mit den traditionellen handwerklichen Methoden nicht erzielbar ist.
Solche modernen Industrieruße sind unter dem Mikroskop oder in der chemischen Analyse klar von historischen Produkten unterscheidbar. Für den praktischen Gebrauch, etwa in Tinten oder Farben, ist der Unterschied jedoch kaum wahrnehmbar. Die Unterschiede liegen weniger im optischen Eindruck als vielmehr in Partikelgröße und Oberflächenstruktur.

Rezept für eine antike (feste) Rußtinte

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Die Ägypter waren wohl die Erfinder sowohl des Beschreibstoffes Papyrus als auch der Tinte. Ihre Herstellungsweise hat sich in weiten Teilen bis in die griechische und römische Antike erhalten.
Die schwarze Tinte bestand aus Ruß und einer Lösung von Gummi arabicum. Dieses Gummi ist das getrocknete Harz regionaler Akazienarten: für die Ägypter leicht verfügbar, für die Römer eine begehrte Handelsware aus südlichen Provinzen.

Zur Herstellung wird das Harz zunächst mit Wasser im Verhältnis 1 zu 1 erwärmt. Dabei ist darauf zu achten, die Temperatur unter 90 °C zu halten, da sich die Struktur des Harzes bei höheren Temperaturen verändert. Ein Aufkochen ist daher unbedingt zu vermeiden. Ziel ist keine dünnflüssige Lösung, sondern eine zähklebrige Grundmasse. In diese wird der Ruß eingearbeitet, bis eine dicke, gleichmäßige Paste entsteht. Zum Trocknen formt man Kugeln oder Rollen, die sich gut lagern und transportieren lassen. Antike Schreiber konnten solche Tintenblöcke fertig erwerben. Für die Anwendung genügt etwas Wasser und ein kleines Gefäß. Die Tinte löst sich rasch an und ist sofort einsatzbereit. Setzen sich die Rußpartikel nach einiger Zeit ab, wird die Mischung einfach wieder aufgerührt.

Neben der schwarzen Tinte wurde auch eine rote verwendet, beispielsweise für Überschriften oder wichtige Passagen. Ihre Herstellung erfolgte auf dieselbe Weise, nur dass statt Ruß feingesiebter Rötel (ein natürlich vorkommendes Eisenoxidpigment) eingearbeitet wurde.

Rezept für eine mittelalterliche (flüssige) Rußtinte

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Die Zutaten sind recht flexibel. Bindemittel wie Honig, Kirschgummi oder Gummi arabicum haben unterschiedliche Eigenschaften. Statt Wein wird auch Wasser mit Essigzusatz genutzt, doch sagt man dem Wein eine bessere Haltbarkeit der Tinte nach, und die Benetzung der Rußpartikel gelingt leichter.
Die richtigen Mengenverhältnisse ermittelt man weniger durch strikte Rezepttreue, sondern zuverlässiger durch praktische Schreibproben: Lässt sich die Tinte nach dem Trocknen sehr leicht verwischen, muss der Anteil des Bindemittels erhöht werden.
Da Ruß sehr fein ist und sich dauerhaft festsetzt, sollte man nur solche Gefäße und Werkzeuge verwenden, die man für solche Arbeiten aus dem normalen Gebrauch genommen hat. Eine Reinigung ist meist zwecklos.
Das bloße Vermengen von Ruß mit Wasser führt in der Regel nicht zu einer stabilen Tinte, denn Ruß ist hydrophob, also wasserabweisend.
Damit sich aus dem trockenen Pigment eine homogene Tinte herstellen lässt, ist ein sorgfältiges mechanisches Einarbeiten nötig: Der Ruß wird auf einer Glasplatte mit wenigen Tropfen Wein verrieben. Das Bindemittel hat man zuvor trocken abgewogen, vor einer Verwendung muss man es jedoch etwas heißem Wasser auflösen. Als Werkzeug dient ein gläserner Läufer. Nach und nach wird weitere Flüssigkeit und Bindemittel untergemischt, bis die Masse eine pastose Konsistenz hat.
Sobald eine streichfähige Paste entstanden ist, wird diese in ein hohes Gefäß überführt. Unter ständigem Rühren wird nun nach und nach Flüssigkeit und Bindemittel zugegeben, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
Eine Tinte soll gut fließen, aber nicht wässrig sein. Sie sollte am Glasrand einen gleichmäßigen, tiefschwarzen Film bilden. Die fertige Tinte sollte in einem dicht verschlossenen Glas aufbewahrt werden. Vor Gebrauch leicht schütteln oder umrühren, da sich die Pigmentanteile mit der Zeit absetzen können. Ist die Tinte im täglichen Gebrauch einmal ausgetrocknet, lässt sie sich mit etwas Wasser leicht wieder neu auffrischen.

Rezept für eine asiatische (feste) Rußtinte

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Der tierische Leim wird in bis zu 70°C heißem Wasser gelöst. In flüssiger Form ist Leim nur sehr begrenzt haltbar und entwickelt schnell einen unangenehmen Geruch. Daher ist die asiatische Tinte traditionell als trockener Block konzipiert.

Vermengt man den gelösten Leim mit Ruß, entsteht eine zähe Masse, die ausdauernd geknetet werden muss, bis sich beide Anteile vollständig verbinden. Kühlt die Masse ab, wird sie zu hart für die plastische Verarbeitung.
Abgewogene Portionen dieser Tintenmasse werden in Holz- oder Metallformen gepresst, wo sie ihre typische Form erhalten: längliche Stäbe mit eingedrückten Schriftzeichen und Ornamenten. Frische Tintenblöcke würden an der Luft schnell oberflächlich austrocknen und reißen. Um dies zu vermeiden, wird der Trocknungsprozess traditionell durch eine monatelange Lagerung in Holzasche verlangsamt und gleichmäßig gesteuert.

Video: Anreiben von fester Tinte.
Zur Verwendung wird der Tuschestab mit etwas Wasser auf einem Reibestein angerieben. So lässt sich die Tintenstärke individuell dosieren, und es wird stets nur so viel Tinte hergestellt, wie unmittelbar benötigt wird. Da in Ostasien fast ausschließlich mit Pinseln geschrieben wird, darf diese Tinte eine andere Viskosität aufweisen als europäische Schreibflüssigkeiten.

Quellen: