
Rußtinte: Lampenruß mit Bindemittel
Günstig, lichtbeständig, leicht entfernbar
Allerdings haftet sie schlecht auf Pergament und lässt sich von
dessen glatter Oberfläche relativ leicht abwischen. Für rechtlich oder
administrativ bedeutsame Dokumente galt deshalb die Eisengallustinte,
die sich regelrecht in das Trägermaterial einfrisst, als überlegen.
Rußtinte dagegen blieb die preisgünstigere Alternative – für Skizzen,
Vorzeichnungen oder Texte, deren dauerhafte Fixierung nicht erforderlich
war.
Rußgewinnung
Qualitätskriterien – nicht jeder Ruß taugt zur Tinte
Ruß entsteht überall dort, wo organisches Material unvollständig
verbrennt. Es liegt daher nahe, vorhandene Ablagerungen etwa von
Rauchabzügen oder Gewölbedecken abzukratzen – doch für Tinten und Pigmente
ist solcher schmutziger Ruß kaum geeignet. Er enthält meist neben
Kohlenstoff auch kondensierte Teerstoffe, Aschepartikel und mitunter
Wachsrückstände, wie sie etwa bei Kerzenruß auftreten. Solche
Beimengungen können zu bräunlich-schwarzen Farbtönen führen und
verleihen der Tinte einen dauerhaft rauchigen Geruch.
Für hochwertige Tinten wird Ruß gezielt hergestellt.
Er soll möglichst tiefschwarz, matt und besonders feinkörnig sein.
Eigenschaften, die sowohl den Farbeindruck als auch die Mischbarkeit
entscheidend beeinflussen.
Rußgewinnung nach Plinius (1. Jahrhundert n.u.Z.)
Bereits im ersten Jahrhundert beschreibt Plinius der Ältere
spezialisierte Werkstätten, in denen hochwertiger Ruß zur Herstellung
von Pigmenten produziert wurde. Als Ausgangsstoff dienten harzreiche
Hölzer (besonders das Holz der Kiefer), sowie Lampenöl. Der dabei
entstehende Rauch wurde nicht über einen Abzug abgeführt, sondern in
geschlossenen Räumen zur Niederschlagung gebracht. Diese gezielte
Luftverknappung diente dazu, die Verbrennung unvollständig zu halten,
um so die Ausbeute an reinem Kohlenstoff, dem eigentlichen Ruß, zu
maximieren. Für die Arbeitskräfte, in der Regel Sklaven, bedeutete dies
allerdings eine erhebliche Belastung durch Kohlenmonoxid.
Plinius erwähnt nicht, auf welchen Oberflächen sich der Ruß
niederschlug: ob auf kalten Wänden, Tüchern oder Keramiken.
Er vermerkt jedoch, dass die am höchsten geschätzte schwarze Farbe aus
dem Holz der Kiefer stamme. Gleichzeitig kritisiert er, dass
betrügerische Händler minderwertige Tinten herstellten, indem sie
gesammelten Ruß aus Öfen und öffentlichen Bädern beimischten.
Rußbrenner im Mittelalter
Im mittelalterlichen Europa war die Herstellung von Ruß ein
spezialisierter Berufszweig. Die sogenannten Rußbrenner betrieben ihre
Öfen meist tief in den Wäldern, oft gemeinsam mit Pechsiedern und
Aschenbrennern. Als Brennstoff dienten stark harzhaltige Kiefernwurzeln,
Harzreste sowie Rückstände aus der Pechgewinnung, etwa der sogenannte
Pechkuchen.
In den Holzhütten errichteten sie steinerne Brennkammern mit engen
Feuerräumen oder absichtlich verengten Schornsteinöffnungen. Diese
technische Gestaltung sorgte für eine absichtlich unvollständige
Verbrennung: durch Sauerstoffmangel im Ofen entstand tiefschwarzer Ruß.
Im Gegensatz zu den antiken Werkstätten der Römer war hier eine räumliche
Trennung von Feuerstelle und Aufenthaltsraum möglich, was den Arbeitern
den Zugang zu Frischluft ermöglichte. Ein nicht zu unterschätzender
Vorteil.
Der aufsteigende Rauch schlug sich in mehreren Fraktionen nieder:
An den
steinernen Wölbungen der Decke setzte sich der grobe, ölhaltige Ruß ab:
eine minderwertige Qualität, die beispielsweise zur Herstellung von
Stiefelwichse, Wagenschmiere oder billiger Farbe diente. Weiter oben im
Dachstuhl waren Tücher aufgehängt. Auf ihnen sammelte sich der leichte,
feinkörnige Ruß: die begehrteste Sorte, geeignet für Tusche, hochwertige
Tinte und Druckerschwärze.
Lampenruß feinster Qualität aus Japan und China
In Ostasien, insbesondere in Japan und Teilen Chinas, entwickelte sich
über Jahrhunderte eine hochspezialisierte Kunst der Rußgewinnung für
besonders hochwertige Tusche. Diese Technik ist bis heute in einzelnen
Manufakturen lebendig und daher gut dokumentiert.
In geschlossenen Werkstatträumen brennen Hunderte kleiner Öllampen.
Ihre Flammen werden durch eng gedrehte Dochte bewusst klein gehalten, um
besonders feine Rußpartikel zu erzeugen. Die Wahl des Lampenöls ist dabei
ein zentraler Qualitätsfaktor: Während einfache Sorten mit Fett, Tran oder
Rapsöl auskommen, galten Sesamöl, Kampferöl (aus Cinnamomum camphora)
und Tungöl (aus den Samen von Vernicia fordii) als besonders edle
Rohstoffe.
Aus einem Liter Öl lassen sich etwa 60 Gramm tiefschwarzer, matter Ruß
gewinnen. Jede Lampe ist mit einem flachen Keramikdeckel aus porenfreiem
Steingut abgedeckt. Auf dessen Unterseite sammelt sich der feine Ruß.
Um Überhitzung und Oxidation zu vermeiden, werden die Deckel regelmäßig
von einem Facharbeiter weitergedreht, spätestens alle zwanzig Minuten.
Nach etwa zwei Stunden wird der Ruß mit einer Gänsefeder abgenommen.
Ein erfahrener Arbeiter kann bis zu 200 Öllampen gleichzeitig betreuen.
Diese Herstellungsweise ist kein rein ostasiatisches Phänomen: Auch in
Europa wurde hochwertiger Lampenruß auf ähnliche Weise erzeugt. In der
Renaissance verwendete man dafür mit Vorliebe Glasplatten – eine
perfekt glatte, porenfreie Oberfläche, auf der sich der Ruß gut
absetzen konnte.
moderne Rußgewinnung
Seit dem 19. Jahrhundert verlagerte sich die Rußproduktion
zunehmend in industrielle Maßstäbe. Statt Pflanzenölen oder Harzen
dienten nun fossile Rohstoffe wie Erdgas und Steinkohlenteer als
Ausgangsmaterial. In eigens dafür entwickelten Rußbrennverfahren lässt
sich heute ein Kohlenstoffanteil von bis zu 99,5% erreichen: eine
Reinheit, die mit den traditionellen handwerklichen Methoden nicht
erzielbar ist.
Solche modernen Industrieruße sind unter dem Mikroskop oder in der
chemischen Analyse klar von historischen Produkten unterscheidbar.
Für den praktischen Gebrauch, etwa in Tinten oder Farben, ist der
Unterschied jedoch kaum wahrnehmbar. Die Unterschiede liegen weniger
im optischen Eindruck als vielmehr in Partikelgröße und Oberflächenstruktur.
Rezept für eine antike (feste) Rußtinte
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Die Ägypter waren wohl die Erfinder sowohl des Beschreibstoffes Papyrus
als auch der Tinte. Ihre Herstellungsweise hat sich in weiten Teilen
bis in die griechische und römische Antike erhalten.
Die schwarze
Tinte bestand aus Ruß und einer Lösung von Gummi arabicum. Dieses
Gummi ist das getrocknete Harz regionaler Akazienarten: für die
Ägypter leicht verfügbar, für die Römer eine begehrte Handelsware aus
südlichen Provinzen.
Zur Herstellung wird das Harz zunächst mit Wasser im Verhältnis 1 zu 1
erwärmt. Dabei ist darauf zu achten, die Temperatur unter 90 °C zu
halten, da sich die Struktur des Harzes bei höheren Temperaturen
verändert. Ein Aufkochen ist daher unbedingt zu vermeiden. Ziel ist
keine dünnflüssige Lösung, sondern eine zähklebrige Grundmasse. In
diese wird der Ruß eingearbeitet, bis eine dicke, gleichmäßige Paste
entsteht. Zum Trocknen formt man Kugeln oder Rollen, die sich gut
lagern und transportieren lassen. Antike Schreiber konnten solche
Tintenblöcke fertig erwerben. Für die Anwendung genügt etwas Wasser
und ein kleines Gefäß. Die Tinte löst sich rasch an und ist sofort
einsatzbereit. Setzen sich die Rußpartikel nach einiger Zeit ab,
wird die Mischung einfach wieder aufgerührt.
Neben der schwarzen Tinte wurde auch eine rote verwendet, beispielsweise
für Überschriften oder wichtige Passagen. Ihre Herstellung erfolgte auf
dieselbe Weise, nur dass statt Ruß feingesiebter Rötel (ein natürlich
vorkommendes Eisenoxidpigment) eingearbeitet wurde.
Rezept für eine mittelalterliche (flüssige) Rußtinte
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Die Zutaten sind recht flexibel. Bindemittel wie Honig, Kirschgummi oder
Gummi arabicum haben unterschiedliche Eigenschaften. Statt Wein wird auch
Wasser mit Essigzusatz genutzt, doch sagt man dem Wein eine bessere Haltbarkeit der Tinte
nach, und die Benetzung der Rußpartikel gelingt leichter.
Die richtigen Mengenverhältnisse ermittelt man weniger durch strikte
Rezepttreue, sondern zuverlässiger durch praktische Schreibproben:
Lässt sich die Tinte nach dem Trocknen sehr leicht
verwischen, muss der Anteil des Bindemittels erhöht werden.
Da Ruß sehr fein ist und sich dauerhaft festsetzt, sollte man nur
solche Gefäße und Werkzeuge verwenden, die man für solche Arbeiten
aus dem normalen Gebrauch genommen hat. Eine Reinigung ist meist zwecklos.
Das bloße Vermengen von Ruß mit Wasser führt in der Regel nicht zu einer
stabilen Tinte, denn Ruß ist hydrophob, also wasserabweisend.
Damit sich aus dem trockenen Pigment eine homogene Tinte herstellen
lässt, ist ein sorgfältiges mechanisches Einarbeiten nötig:
Der Ruß wird auf einer Glasplatte mit wenigen Tropfen Wein
verrieben. Das Bindemittel hat man zuvor trocken abgewogen, vor einer
Verwendung muss man es jedoch etwas heißem Wasser auflösen.
Als Werkzeug dient ein gläserner Läufer. Nach und nach wird
weitere Flüssigkeit und Bindemittel untergemischt, bis die Masse eine pastose Konsistenz
hat.
Sobald eine streichfähige Paste entstanden ist, wird diese in ein hohes
Gefäß überführt. Unter ständigem Rühren wird
nun nach und nach Flüssigkeit und Bindemittel zugegeben, bis die gewünschte
Konsistenz erreicht ist.
Eine Tinte soll gut fließen, aber nicht wässrig sein. Sie sollte am
Glasrand einen gleichmäßigen, tiefschwarzen Film bilden.
Die fertige Tinte sollte in einem dicht verschlossenen Glas aufbewahrt
werden. Vor Gebrauch leicht schütteln oder umrühren, da sich die
Pigmentanteile mit der Zeit absetzen können.
Ist die Tinte im täglichen Gebrauch einmal ausgetrocknet, lässt sie sich mit
etwas Wasser leicht wieder neu auffrischen.
Rezept für eine asiatische (feste) Rußtinte
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Der tierische Leim wird in bis zu 70°C heißem Wasser gelöst. In
flüssiger Form ist Leim nur sehr begrenzt haltbar und entwickelt schnell
einen unangenehmen Geruch. Daher ist die asiatische Tinte traditionell
als trockener Block konzipiert.
Vermengt man den gelösten Leim mit Ruß, entsteht eine zähe Masse, die
ausdauernd geknetet werden muss, bis sich beide Anteile vollständig
verbinden. Kühlt die Masse ab, wird sie zu hart für die plastische
Verarbeitung.
Abgewogene Portionen dieser Tintenmasse werden in Holz- oder Metallformen
gepresst, wo sie ihre typische Form erhalten: längliche Stäbe mit
eingedrückten Schriftzeichen und Ornamenten. Frische Tintenblöcke würden
an der Luft schnell oberflächlich austrocknen und reißen. Um dies zu
vermeiden, wird der Trocknungsprozess traditionell durch eine monatelange
Lagerung in Holzasche verlangsamt und gleichmäßig gesteuert.
- Claus Maywald: Die Schreibtinten. Von der antiken Rußtinte zu den Farbstofftinten der Moderne. In: Librarium; 51(2008), 3, Seite 226-233
- Armin Schopen: Tinten und Tuschen des arabisch-islamischen Mittelalters: Dokumentation - Analyse - Rekonstruktion; ein Beitrag zur materiellen Kultur des Vorderen Orients