Artikel erstellt: 19.11.2024, zuletzt geändert am 25.09.2025, Aufrufe: 188

Dachdecken mit Schindeln

Holzschindeln waren von der Frühgeschichte bis ins Frühmittelalter ein bevorzugtes Material zur Dachdeckung, insbesondere in waldreichen Regionen. In Gegenden mit weniger Holzvorkommen kamen alternative Materialien wie Reet zum Einsatz. Neben ihrer Funktion als Dachbedeckung wurden Schindeln auch verwendet, um Außenwände vor Witterungseinflüssen zu schützen. Das Brandrisiko war die Ursache für den Rückgang des Schindeldaches in den Städten des Mittelalters. Es wurde von dem Dach aus Ziegeln und Schiefer verdrängt. Die schuppenartige Anordnung der Schindeln auf dem Dachstuhl leitet Regenwasser zuverlässig ab und verhindert, dass es in das Gebäude eindringen kann. Obwohl unbehandeltes Holz im Freien normalerweise schnell verfällt, können Holzschindeln dennoch mehrere Jahrzehnte halten. Eine gute Hinterlüftung trägt dazu bei, indem sie die Feuchtigkeit aus den Schindellagen rasch abführt und so das Material schützt.

Unterkonstruktion

Um eine ausreichende Belüftung zu gewährleisten, werden Schindeldächer in der Regel auf einer Lattenunterkonstruktion aufgebaut. Die Abstände zwischen den einzelnen Latten, das sogenannte Achsmaß, stimmen mit dem späteren Abstand der Schindelreihen überein. Historisch gesehen wurden die Latten direkt auf den Sparren befestigt, was eine effektive Hinterlüftung ermöglichte. Moderne Techniken, bei denen Schindeln auf einer geschlossenen Unterschalung mit einer zusätzlichen Konterlattung montiert werden, bieten hingegen schlechtere Belüftungseigenschaften und gelten als weniger vorteilhaft.

Befestigung der Schindeln

Bei Schindeldächern unterscheidet man zwischen Legschindel- und Scharschindeldächern. Das Legschindeldach wird vor allem bei flachen Dachneigungen verwendet. Hier überdecken sich die Schindeln meist drei- bis vierfach, werden jedoch nicht festgenagelt, sondern lediglich aufgelegt. Zur Sicherung dienen Schwersteine, die auf sogenannten Schwerstangen aufliegen und das Dach beschweren. Dieses Konstruktionsprinzip erlaubt eine Wiederverwendung der Schindeln: Etwa alle fünf Jahre wurde das Dach umgedeckt, indem die unbenutzte Unterseite der Schindeln nach oben gedreht wurde. Dieser Prozess konnte bis zu viermal wiederholt werden, bevor ein vollständiger Austausch notwendig war. Das Scharschindeldach hingegen eignet sich für steile Dachneigungen. Die Schindeln werden üblicherweise mit dreifacher Überdeckung auf die Lattung genagelt, wobei für einfache, weniger beanspruchte Gebäude auch eine Zweifachdeckung möglich war. In vorindustrieller Zeit erfolgte die Befestigung meist mit Holznägeln, während in den letzten Jahrhunderten zunehmend metallene Schindelstifte verwendet wurden.

Die Traufandeckung

Die Traufkante eines Daches, also der Übergang zwischen Dachfläche und Regenablauf, erfordert besondere Maßnahmen, um das Dach vor eindringendem Wasser zu schützen. Häufig wird hierfür ein sogenanntes Einlaufblech eingesetzt. Dieses flache Metallblech leitet Regenwasser kontrolliert von der Dachfläche in die Regenrinne. Um die Schindeln mit dem Einlaufblech zu verbinden, wird eine Sicke – eine längliche, eingefalzte Vertiefung im Blech – eingebracht, die den sicheren Halt der Schindeln gewährleistet. Ist kein Einlaufblech vorhanden, übernimmt eine Leiste nahe der Unterkante des Traufbrettes diese Funktion. Die erste Reihe der Traufschindeln wird mit einem definierten Dachüberstand durch Abschnürung, also das Spannen einer Führungsschnur, ausgerichtet. Jede Schindel wird anschließend mit zwei bündig eingeschlagenen Schindelstiften befestigt. Für die zweite und dritte Schindellage erfolgt eine versetzte Montage, wobei die Schindeln je nach Dachneigung um 1 bis 2 cm weiter nach außen ragen. Diese gestufte Anordnung schafft drei wirksame Tropfkanten, die verhindern, dass Tropfwasser kapillar zwischen die Schindellagen aufsteigen kann. So wird die Langlebigkeit der Schindeldeckung sichergestellt.

Flächeneindeckung

Nach der dritten Schindelreihe werden die weiteren Reihen, beginnend mit der vierten, entsprechend dem vorgegebenen Reihenabstand eingeschnürt und befestigt. Dabei ist der Abstand der Verlegefugen – die Spalten zwischen den Schindeln – entscheidend für die Haltbarkeit und Funktion der Dachdeckung. Je nach Feuchtigkeitsgehalt des Holzes variiert der Fugenabstand zwischen 1 und 5 mm. Bei nassen Schindeln, die durch Feuchtigkeitsaufnahme noch aufquellen können, ist ein nahezu dichter Stoß möglich. Trockene Schindeln hingegen erfordern eine größere Fuge, um ein Ausdehnen durch Feuchtigkeit zu ermöglichen und Spannungsrisse zu vermeiden. Bei Schindeln mit ungleichmäßiger Breite muss zusätzlich auf den Seitenversatz der Fugen geachtet werden. Der Versatz zwischen der ersten und zweiten Reihe sollte mindestens 3 cm betragen, zwischen der ersten und dritten Reihe mindestens 2 cm, um eine stabile Deckung zu gewährleisten. Breite Schindeln mit über 25 cm sollten vor der Verlegung geteilt werden, da sie andernfalls stärker zu Rissbildung neigen. Diese Vorsichtsmaßnahmen sichern die Langlebigkeit und Dichtheit des Daches.

Dachfirst

Heute wird oft Blech verwendet, da z.B. Kupferblech bei Regenwetter Ionen abgibt, die das Wachstum von Algen verhindern und so die Haltbarkeit des Daches erhöhen. In vorindustrieller Zeit hingegen setzten Handwerker eine Vielzahl natürlicher Materialien und Techniken ein, um den Dachfirst wasserdicht zu machen. Eine gängige Methode war die Verwendung von speziellen Firstschindeln, die mit einer besonders dichten Überdeckung angeordnet wurden. Diese Schindeln waren breiter und schwerer als die normalen Dachschindeln, sodass sie stabiler waren und ein minimales Eindringen von Regenwasser ermöglichten. (Bild) In manchen Fällen wurde auch Lehm oder Ton verwendet, um die Lücken zwischen den Schindeln abzudichten. Der Lehm wurde in dünnen Schichten aufgetragen und in die Zwischenräume der Schindeln gedrückt. Diese Methode hatte den Vorteil, dass sie das Wasser nicht nur abhielt, sondern auch eine gewisse Flexibilität bot, um sich an Temperatur- und Feuchtigkeitsveränderungen anzupassen. Diese Methoden waren nicht langlebig und der Dachfirst musste oft nach einigen Jahren erneuert werden.

Dachgauben und Schornsteine

Der Anschluss von Holzschindeln an aufsteigende Gebäudeteile wie Kamine, Dachausbauten oder Gaubenfenster stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Verbindungen wetterdicht ausgeführt sein müssen. In industrieller Zeit nutzt man einen metallenen Stehfalz, der für regensichere Übergänge sorgt. In der vorindustriellen Zeit nahm die Planung der Dachausführung Rücksicht auf diese Probleme, indem die Fläche der Dachhaut möglichst an keiner Stelle unterbrochen wurde.

Der Grat (die Ecken des Daches)

Die Kante an der zwei Dachflächen in einem spitzen Winkel aufeinandertreffen (Grat), erfordert besondere Sorgfalt bei der Schindeldeckung. Dabei ist es entscheidend, die Schindel so zu drehen, dass die Holzfasern dem Verlauf des Grats folgen. Diese Ausrichtung verhindert, dass sich der Eckverband später öffnet oder unregelmäßig klafft. Bei falscher Gratdeckung brechen die Spitzen der Gratschindeln leicht ab, da die kurzen Fasern an den Kanten weniger Stabilität bieten. Nachdem die Schindel richtig gedreht angelegt worden ist, wird sie in die nötige dreieckige Passform gesägt (Bild). Auch die Nachbarschindel muss mit einem Sägeschnitt an die Form des Grates angepasst werden. Ihre Holzfasern verlaufen wieder senkrecht. (Bild) Bei jeder weiteren Decklage wird die Gratlinie mit der Richtschnur angezeichnet, um die Eckschindeln entsprechend anzupassen. (Bild) Direkt an der Gratkante überdeckt eine Schindel die Sägekante der anderen. Diese Anordnung wechselt man mit jeder Lage ab. (Bild)

sauberes Handwerk

Damit die Konstruktion haltbar und wetterfest wird sollte man beachten:

  • ‣die Schindeln überlagern sich dreilagig
  • ‣Die Nägel sollten im oberen Drittel sitzen und werden von der nächsten Lage überdeckt
  • ‣Es wird nie durch zwei Lagen genagelt
  • ‣seitliche Abstände zwischen den Schindeln lassen, damit das Holz arbeiten kann


 
Quellen:
  • Fabian Peise: Düppeler Lexikon (Onlinepublikation), 2004